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Compensation gegenseitiger Beleidigungen etc. In den Worten
„unterliegt den Bestimmungen des XIV. Hauptstückes‘‘ wollte
der Entwurf ım Gegensatz zum deutschen Strafgesetzbuch ($ 104)
ausdrücken, dass alle Bestimmungen des bezogenen Hauptstückes
betreffend die Beleidigung auch hier Anwendung finden, somit
Wahrheitsbeweis, Compensation u. s. w. zulässig sind, während
nach dem Wortlaute des 8 104 d. R.-St.-Gb. die Beleidigung
eines Gesandten u. s. w. ein selbstständiges Delict darstellt
und lediglich nach Inhalt des $ 104 — ohne Rücksicht auf die
sonstigen Bestimmungen über Beleidigung — behandelt und bestraft
wird. (Vgl. ScewaxrzE ÖConımentar ad $ 104.) Die vorliegende
Frage war übrigens im Strafgesetzausschusse des Jahres 1889
Gegenstand besonderer Beratung und heisst es im betreffenden
Berichte hierüber wie folgt: „Zu diesem Paragraphe sind dem
Ausschusse zwei verschiedene Anträge vorgelegt worden.
Der eine ging dahin, den Fall der Beleidigung eines frem-
den Gesandten vollständig in jeder Hinsicht den Bestimmungen
des XII. (gegenwärtig XIV.) Hauptstückes zu unterwerfen, der
andere bezweckte, dieses Delict, sowohl was den Begriff der Be-
leidigung anbetrifft, als auch bezüglich der Zulässigkeit des
Wahrheitsbeweises von den regelmässigen, die Beleidigung be-
treffenden Bestimmungen auszunehmen.
Die Mehrheit des Ausschusses hielt den Mittelweg zwischen
diesen zwei Ansichten für den richtigsten und erhielt demgemäss
meritorisch die Regierungsvorlage aufrecht. Die Beleidigung
eines fremden Gesandten wird also insofern abweichend von allen
andern Beleidigungen beurtheilt, als hier anstatt der Privatanklage
des Verletzten schon sein Antrag genügt und die Geldstrafe un-
bedingt ausgeschlossen erscheint. Diese Abweichungen von der
Regel rechtfertigen sich damit, dass die Stellung eines Gesandten
als Repräsentanten des fremden Staates, beziehungsweise dessen
Oberhauptes, eine ganz exceptionelle ist. Die Beleidigung eines
fremden Gesandten, selbstverständlich unter der Voraussetzung,