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bei seinen Erörterungen über die Republik ist es zum Nachtheil der juristischen
Consequenz wieder verschwunden.
In der Demokratie ist aber nicht nur genau dasselbe eigene Recht auf
Organstellung vorhanden, wie in Monarchie und Aristokratie: auch das Vor-
recht, auf welches BerNATzık zum Zweck seiner Construktion so grosses Ge-
wicht legt, ist gegeben. Nicht schlechthin Alle, sondern höchstens die Ge-
sammtheit der selbständigen männlichen Bürger ist in ihr berufen, den
Staatswillen zu bilden. Ein Blick in die Statistik der heutigen Republiken
lehrt, dass auch in ihnen nur eine Minorität rechtlichen Antheil an der
Herrschaft besitzt.
Ist dem aber so, dann sind wir bezüglich des Unterschiedes der Staats-
formen wieder bei dem Princip der Zahl angelangt: Einer, Wenige, Viele.
Das „eigene Recht auf Herrschaft“ nützt uns gar nichts bei dieser Distinktion,
da es jeder dieser Gruppen zukommt. Von dem Ausgangspunkt BERNATZIK’S
kommt man nur zu einer einzigen Staatsform: der Monarchie. Der Monarchie
des Einen und der Monarchie Weniger müsste sich als dritte Form die Monarchie
einer Vielheit anreihen.
In seinen weiteren Ausführungen stellt der Verfasser dem Monarchen
das republikanische Staatshaupt gegenüber. um beide Staatsformen näher zu
charakterisiren. Zu diesem Zwecke hätte aber dem herrschenden Fürsten der
herrschende Demos entgegengehalten werden müssen. Da hätte sich denn
gezeigt, dass fast alle wesentlichen Merkmale des Einen auch dem Anderen
zukommen. Hier wie dort Unverantwortlichkeit, hier wie dort die Möglich-
keit der Incongruenz von Rechts- und Handlungsfähigkeit, wie ja die repräsen-
tative Demokratie zeigt. Sogar das Thronfolgerecht findet in der Republik
sein Gegenstück, da auch der herrschende Demos hauptsächlich auf Geburts-
recht ruht. Abstammung von einem Bürger ist auch in der Demokratie der
vornehmste Rechtsgrund des Anspruches auf Organstellung.
Erscheint somit das Resultat der Untersuchungen BERNATZIK’s als un-
befriedigend, so ist der lebendig geschriebenen, scharfsinnigen, von um-
fassendem Wissen zeugenden Schrift dennoch die Bedeutung zuzuerkennen,
eine der wichtigsten staatsrechtlichen Fragen aus dem Schlummer geweckt
zu haben. Die Lehre von den Formen des Einheitsstaates gehört zu den
vernachlässigsten Problemen der allgemeinen Staatslehre, vernachlässigt viel-
leicht darum, weil jede eindringende Untersuchung sofort auf die grössten
Schwierigkeiten stösst.
Sind einmal die althergebrachten hellenischen Kategorien als über-
wiegend politische anerkannt, so erwächst aber der Staatsrechtswissenschaft die
nicht mehr zu umgehende Aufgabe, durch feste juristische Kriterien die Staats-
formen zu sondern. Der richtige Weg zu solchen zu gelangen liegt m. E. in
der Untersuchung der Art der staatlichen Willensbildung. Ob der ent-
scheidende höchste Wille im Staate durch einen rein psychologischen oder
einen juristischen Prozess sich bildet, ist da der massgebende Gesichtspunkt.
Archiv für öffentliches Recht. VIIL 1. 12