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Aufsätze.
Das Völkerrecht und die legalen Aenderungen der
Ländervertheilung.
Von
Dr. EUGEN SCHLIEF.
Wenn man dem Grunde für die an sich unbestreitbare That-
sache nachforscht, dass gewisse, jedem halbwegs Einsichtigen leicht
erkennbare Irrthümer selbst über die ersten grundlegenden Be-
griffe einer Wissenschaft von dieser oft Jahrhunderte lang mit
einer Zähigkeit festgehalten werden, welche geradezu überraschend
wirkt, so ist derselbe nicht selten in einem Umstande zu finden,
der auf den ersten Blick nur nebensächlich erscheint, aber doch
naturgemäss leicht zu den bedauerlichsten Schlussfolgerungen führen
kann: nämlich in einer falschen oder schlecht gewählten Termino-
logie. — Diese Erscheinung macht sich vielleicht nirgends fühl-
barer als auf dem Gebiete des Völkerrechtes, welches ja allerdings
unverkennbar sich als das Stiefkind der Jurisprudenz überhaupt
fühlen muss und für welches die unglückliche Terminologie schon
mit der Bezeichnung der Wissenschaft selbst beginnt.
Die an sich allgemein anerkannte und völlig einwandsfreie
Erklärung des Begriffes „Völkerrecht“ geht dahin, dass dasselbe
der Inbegriff derjenigen Normen ist, nach welchen sich die Bezieh-
ungen der souveränen Kulturstaaten unter einander regeln; der
Name deutet also etwas ganz Anderes an als das Wesen der Sache an
Archiv für öffentliches Recht. VIII. 2. 3. 13