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Eroberung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können“;
und das heisst allerdings offenbar nichts anderes, als dass inner-
halb einer wahrhaft völkerrechtlichen Vereinigung zwischen meh-
reren souveränen Staaten, die absolute Unveränderlichkeit der ein-
mal gegebenen Ländervertheilung decretirt werden müsse. — Das
aber ist eben ein Irrthum, der, mehr als alles Andere dazu bei-
getragen hat, den „ewigen Frieden“ in Verruf zu bringen. —
Die Ausführung Kants enthält, genauer zugesehen, einen rich-
tigen und einen falschen Gedanken; einen richtigen insofern, als
innerhalb eines „Staatensystems‘‘ allerdings eine Aenderung der
Länderconfiguration im Wege der Eroberung völlig ausgeschlossen
sein muss. — Dieser Satz bedarf hier, so selbstverständlich er
auch erscheint, einer kurzen Begründung um so mehr, als man
sich seither in nahezu vollkommener Einmüthigkeit gewöhnt hat,
von einem „Recht der Eroberung“ zu reden. Das aber ist ein
Widerspruch in sich, denn die Eroberung ist, ihrem Wesen nach,
immer ein Act der Gewalt, die Aneignung eines Landestheils,
über welchen bis dahin die legale Oberhoheit eines bestimmten
Staates gewaltet hat, durch einen andern Staat, ohne Zustimmung
dlerjenigen, welche eben als Träger jener legalen Oberhoheit zu
gelten hatten. Eine Eroberung kann aus höheren politischen Ge-
sichtspunkten durchaus geboten, sie kann wie die Erfüllung einer
unabweisbaren historischen Nothwendigkeit erscheinen — sie ist
aber nun und nimmermehr ein „Rechtsact“ in der: eigentlichsten
Bedeutung des Wortes. Es verhält sich mit der Eroberung nicht
anders,‘ als mit der Revolution; auch diese kann etwas durchaus
/weckmässiges, Unabwendbares und völlig Lobenswerthes sein,
aber darum von einem „Rechte der Revolution“ zu sprechen heisst
nichts anderes als das Recht der Rechtswidrigkeit anzuerkennen. In
der That also: jedes Völkerrecht hat die „Eroberung“ als einen
legalen Titel für die Aenderung der bestehenden Ländervertheilung
auszuschliessen; aber gerade, weil dem so ist, und weil jede Er-
oberung eine Revolution gegen das Völkerrecht vorstellt, geht es