Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achter Band. (8)

— 217 — 
ist daher auch der einzig berufene Vertreter des „Bevölkerungs- 
rechtes‘; aber auch er kann vernünftigerweise nicht bei der „Ple- 
biscittheorie“ stehen bleiben, da diese letztere, wie gezeigt wurde, 
eben doch nicht die völlige „Organisationslosigkeit‘‘ bedeutet. — 
Das Dynamit ist die Quelle allen Rechtes; jeder hat nur für 
sich selbst zu leben und zu sehen, wie er am besten auf Kosten 
der anderen durchkommt. Wäre es möglich, dass eine solche 
Carricatur allen vernünftigen Denkens überhaupt die ernste Be- 
achtung fände, welche sie heutzutage auf sich lenkt, wenn nicht 
schliesslich die Kulturwelt an einer anderen Stelle, nämlich im 
internationalen Verkehre selbst ganz genau eben der Lehre des 
Anarchismus thatsächlich huldigte?! Sei dem jedoch, wie ihm 
wolle, die Theorie des Bevölkerungsrechtes, dass jederzeit durch 
ein „Plebiscit‘‘ die jeweilige Ordnung der Dinge in einem Kultur- 
staate zerstört oder geändert werden könne, ist und bleibt eine 
verfehlte, in sich begriffswidrige. Das ‚‚Plebiscit‘*‘ entspricht über- 
haupt nicht denjenigen Anforderungen, welche consequenterweise 
nach der ihm zu Grunde liegenden falschen Theorie zu stellen 
sind, und noch viel weniger der richtigen Theorie von Wesen 
und Ursprung allen Rechtes; jedes Plebiscit ist darum auch in 
Wahrheit gar nichts anderes als eine politische Comödie, welche 
freilich, so belustigend sie auch erscheint, doch andererseits zeit- 
weise durch die Verhältnisse geradezu herausgefordert wurde, 
nämlich durch den dauernden Wechsel der Regierungsform. Wenn 
bald eine rothe Republik, bald ein legitimes Königthum, mit 
den verknöchertesten Principien eines für alle Zeiten abgestor- 
benen Feudalismus, bald ein demokratisches Königthum, bald eine 
vollendete Dietatur — wenn auch mit manchem, den Kern der Sache 
verdeckenden Beiwerke — und schliesslich auch eine ‚„conservative‘ 
Republik dauernd einander ablösen, so erscheint allerdings das 
Volk, ohne irgend eine dieser Organisationen gedacht, als der 
einzig feste Punkt in der Erscheinungen Flucht, von dem aus 
diese letzteren schliesslich zu dirigiren sind; und man gelangt
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.