Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achter Band. (8)

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daraufhin sehr leicht dazu, das Volk — eben losgelöst von jeder 
concreten verfassungsrechtlichen Form —, mit a. W. den Willen 
der „Bevölkerung“ als die eigentliche Quelle allen Rechtes zu 
betrachten, und sich ein ganz willkürliches Schema zurechtzulegen, 
mittelst dessen nıan wähnt, den Willen der Bevölkerung fest- 
stellen zu können. 
Es braucht hier nicht lange auseinandergesetzt zu werden, 
dass dieses „Bevölkerungsrecht“ nicht etwa, wie die Franzosen 
meinen, der prägnanteste Ausdruck für die wahre politische Frei- 
heit, vielmehr eine geradezu grundsätzliche Vorbereitung auf die 
unumschränkte Dictatur einer einzelnen Persönlichkeit ist; denn 
die „Bevölkerung“, da sie doch eben als solche organisirt ist, 
tritt niemals von selbst ın Action, sondern immer erst auf einen 
Anstoss von aussen her; es muss immer eine treibende Kraft vor- 
handen sein, welche, mit den Zuständen des positiv geltenden 
Rechtes unzufrieden, an die „bevölkerung‘“ appellirt und ein 
Plebiscit ın Scene setzt; also in Wahrheit ist, trotz aller schönen 
Redensarten, nicht die „Bevölkerung“, sondern derjenige, welcher 
als Drahtzieher hinter ihr steht, der wahre „Meister der verfas- 
sungsmässig berufenen Regierung“; und es ist daher nur allzu 
erklärlich, dass, wie es ausnahmslos zugetroffen ist, jedesmal, 
wenn die „Bevölkerung“ gesprochen hatte, nicht etwa eine Periode 
der Freiheit und Gleichheit anbrach, in welcher die „ewig un- 
verjährbaren Menschenrechte“ ein allen Angriffen trotzendes Boll- 
werk fanden, sondern das Regiment politischer Abenteurer, wel- 
chen durch das Plebiscit der Weg zur Macht in bequemster Weise 
freigelegt worden war. 
Aber auch, wenn dem nicht so wäre, d. h. wenn wirklich 
das „Bevölkerungsrecht‘‘ immer und unter allen Umständen die- 
jenige politische Wirkung hätte, welche man davon zu erwar- 
ten pflegte — so wäre es trotzdem ein juristisches Unding, 
mit welchem weder auf staatsrechtlichem noch völkerrechtlichem 
“sebiete gerechnet werden darf; und, wenn das richtig ist, dann
	        
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