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terten, modernen Rechtsanschauungen anzusehen. In der That:
das ganze Problem bietet insofern keine begrifflichen Schwierig-
keiten; eine solche kann aber entstehen durch die Frage, ob es
zu einer derartigen Dereliction der Genehmigung durch die Be-
völkerung des zu derelinquirenden Gebietes bedürfe? — Diese
Frage jedoch ist unbedingt zu verneinen, denn sie würde bejaht
werden können überhaupt nur, wenn es ein „Bevölkerungsrecht“
gäbe; da ein solches aber, wie zur Genüge erwiesen worden sein
dürfte, schon überhaupt nicht einmal für einen Kulturstaat in
seiner sesammtheit anerkannt werden kann, so noch viel weniger
für einen bestimmten Theil desselben. Ein Widerspruch der Bevölke-
rung würde sich immer qualificiren müssen als ein rein staatsrecht-
licher Act und die Bevölkerung eines „Gebietstheils‘“ ist eben,
als solche, keine staatsrechtlich organisirte Gemeinschaft. Uebri-
gens aber wäre es auch schon sehr schwer, gerade bei einer in
Aussicht genommenen Dereliction genau diese „Bevölkerung‘‘ an
sich oder doch zu bestimmen, wer dazu gerechnet werden müsse. Man
hat stellenweise gemeint, diejenigen darunter begreifen zu sollen,
welche daselbst im juristisch-technischen Sinne ihren Wohnsitz
haben, allein das ist im Wesentlichen ein rein privatrechtlicher
Begriff, während es sich bei der Dereliction um einen Act han-
delt, welcher als Ausfluss der staatlichen potestas aufzufassen
ist; und eben darum kann man auch nicht etwa diejenigen als
Bevölkerung ansehen, welchen das Eigenthum an dem Grund
und Boden gehört, denn das blosse private Eigenthumsrecht
gibt selbstverständlich den Eigenthümern keine Befugniss, über
den völkerrechtlichen Status des gesammten Gebietes zu verfü-
gen, das übrigens auch zum Theile gar. nicht nur aus Grund-
stücken, welche einzelnen privaten Rechtssubjecten gehören, son-
dern auch aus solchen bestehen wird, über welche dem Staate
oder einer öffentlichen Körperschaft das dominium zusteht. Wie,
immer man also auch die Sache drehen und wenden mag,
man wird unbedingt dazu gelangen, dass ein Widerspruch . „der
Archiv für öffentliches Recht. VIII. 2. 3. 15