Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achter Band. (8)

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liche Tradıtion als eine derivative Erwerbsart verwerfen, allein 
den Uebergang eines Landestheiles von einem Staate an einen 
anderen nichtsdestoweniger für zulässig erklären, indem sie gerade 
mit Bezug hierauf die Plebiscittheorie in rigoroseste Anwendung 
gebracht wissen wollen; aber sie legen auf Grund derselben 
dann einem solchen Vorgange einen andern juristischen Charakter 
bei als den eines derivativen Erwerbsactes. So viel Richtiges 
nun auch bei oberflächlicher Betrachtung in diesem Systeme zu 
liegen scheint und so bestechend es namentlich überall da wirkt, 
wo das Selbstbestimmungsrecht der Völker ganz ausschliesslich 
ın den Vordergrund gerückt wird — so verfehlt ist es trotz 
alledem und alledem in sich selbst; und man braucht sich bei 
der Beurtheilung der einschlägigen Fragen nur nicht durch un- 
klare Gefühlsregungen leiten zu lassen, von dem sich die Franzosen 
auch selbst auf dem Gebiete der nüchternsten Jurisprudenz, sehr 
selten völlig frei zu machen verstehen, sondern sich streng an 
die Gesetze der Logik zu halten, um einzusehen, an welchen 
Mängeln die französische Auffassung leidet. 
Der Gedanke, welcher derselben am letzten Ende zu Grunde 
liegt, ist — wenn man sich darüber auch bisher vielleicht nicht 
genügende Rechenschaft zu geben verstand, einfach der, dass es 
überhaupt nur „originäre‘ Staatenbildungen gibt und, nach der 
geläuterten völkerrechtlichen Anschauung auch nur geben kann. 
Darum glaubt man denn auch in allen Fällen, wo sich äusser- 
lich der Uebergang eines Landestheiles von einem Staate an den 
andern vollzieht, darin nicht einen begrifflich einheitlichen Rechts- 
act, sondern mehrere selbstständige Acte finden zu sollen, welche 
allerdings ineinander greifen, um zu dem gewünschten Ergebnisse 
zu führen. Man sieht also in einem derartigen Vorgange zu- 
nächst eine Secession des betreffenden Landestheils aus dem bis- 
herigen Staatsverbande, sodann eine Üonstituirung desselben 
zu einem selbstständigen politischen Gemeinwesen, und schliess- 
lich eine regelrechte Fusion desselben mit dem „erwerbenden“
	        
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