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nur das, sogleich näher zu besprechende Auswanderungsrecht als
Milderung des im Uebrigen ganz stricte durchgeführten Princips
anerkannt wird.
Es ist, wie gesagt, unverkennbar, dass die Lehre der Fran-
zösischen Schule mit ihrem Bevölkerungs- und Plebiscitrechte sich
gerade und ganz insbesondere gegen das alte Feudalstaatsrecht
wandte und diesem gegenüber, wie man auch sonst immer denken
mag, einen ungeheuren Fortschritt enthielt. Immerhin sind die
Franzosen aber in ihrem reformatorischen Eifer auf halbem
Wege stehen geblieben und zwar schon insofern, als sie nicht
einmal alle Schlussfolgerungen aus ihren eigenen Prämissen zu
ziehen wagten, denn, wenn sie das gethan hätten, mussten sie un-
weigerlich zu dem Grundsatze gelangen, dass, sobald ein für den
Anschluss an einen fremden Staat günstiges Plebiscit vorliegt,
also die Bevölkerung als solche auf Grund eines ihr unter keinen
Umständen zu verkümmernden naturrechtlichen Befugniss ihren
Willen geäussert hat — die einzelnen Individuen, aus welchen sich
die Bevölkerung zusammensetzt, damit ipso jure in den neuen
Staatsverband eintreten, während diese Idee stellenweise nicht
zur Anwendung gelangte, da man auch nach einem Annexions-
plebiscit noch den Einzelnen das Recht zugestand bezw. die
Pflicht auferlegte, sich insbesondere für ihre Person über diese
Veränderung in ihrem völkerrechtlichen Status zu entscheiden,
also dem Plebiscit nicht die entscheidende Kraft zurechnete,
welche ihm unbedingt beizumessen wäre, wenn es überhaupt
irgend eine praktische Bedeutung haben soll. So, wie die Sache
jetzt liegt, kann es geschehen, dass eine Person, welche bei dem
Plebiscit für den Anschluss an einen fremden Staat gestimmt hat,
nachträglich wieder, gleichsam privatim, diese Abstimmung für
sich als unverbindlich erklärt, während consequenter Weise
höchstens das Umgekehrte zutreffen könnte und müsste, dass die
Staatsangehörigkeit auch jeder Person, welche bei dem Plebiscit
in der Minorität war, durch dieses letztere selbst unmittel-