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ım Wege Rechtens kein Mensch zwangsweise seiner Staatszuge-
hörigkeit entkleidet werden, weder von der Regierung, deren
Unterthan er nun einmal ist, noch von derjenigen, welche aus
sonstigen allgemeinen Gründen ohne Weiteres den Betrefienden
für sich ın Beschlag nehmen könnte und möchte, wenn er eben
nicht bereits einem anderen Staatsverbande zugehörte.
Das sınd die Grundsätze, nach welchen sich im Falle einer
Gebietscession die Rechtsverhältnisse der auf dem cedirten Ge-
biete ansässigen Bevölkerung bestimmen. Zu denselben treten
dann noch besondere, praktische Rücksichten, welche dabei noth-
wendigerweise werden beachtet werden müssen, aber an dem
Wesen der Sache natürlich nichts ändern können.
Es werden nämlich bei Gebietscessionen selbstverständlich sehr
viele Individuen den Wunsch haben, ihre bisherige Staatsbürger-
qualität aufzugeben, und in den Verband des erwerbenden Staates
aufgenommen zu werden; das liegt zu sehr ın der Natur der Dinge,
als dass es einer weiteren Begründung bedürfen würde; und
andererseits wird selbstverständlich auch die Regierung des
erwerbenden Staates die Absicht haben, ihrerseits einen mög-
lichst grossen Theil dieser Bevölkerung zu naturalisiren, denn,
wenn es ihr auch am Ende gleichgiltig sein kann, dass sich inner-
halb ihres Landes einzelne Fremde vorübergehend aufhalten oder
dauernd ihren Wohnsitz nehmen, so liegen die Dinge doch weit-
aus anders, wenn die Bevölkerung eines bestimmten Landes-
theils sich ausschliesslich oder auch nur zum bei Weitem über-
Annahme dieses Charakters sowohl „dem Begriffe der persönlichen Freiheit
als der Zweckidee des Staates widerspreche.“ Das ist richtig, wenn man die
„Unauslöschliehkeit“ so absolut fasst, dass der Einzelne der Staatsbürger-
qualität, die er einmal besitzt, überhaupt nicht verlustig gehen kann, auch
mit seinen Willen nicht; aber den Begriff in dieser Abstraction zu fassen,
wird schwerlich jemandem einfallen, denn sonst wäre auch jede Naturalisa-
tion unmöglich. Wohl aber wird ganz allgemein behauptet werden können,
dass Niemand ohne seine persönliche Einwilligung seiner Staatsbürgerqualität
verlustig gehen könne.