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wiegenden Theile aus Angehörigen eines anderen Staatsverbandes
zusammensetzt. Aus alledem folgt, dass bei einer Gebietscession
eine Massennaturalisation zu erwarten steht, bei welcher es sich
aus praktischen Gründen empfiehlt, die Formalitäten möglichst
einfach zu gestalten, so dass schliesslich auch ein Verfahren als
zulässig erscheinen muss, welches streng genommen, allerdings die
Verhältnisse geradezu umkehrt, aber immerhin durch die beson-
deren begleitenden Umstände gerechtfertigt werden kann.
An sich nämlich wäre es im Falle einer Gebietscession, um
die Rechtsverhältnisse der Bevölkerung möglichst klar zu stellen,
nach allem Gesagtem für die Regierung des erwerbenden Staates
durchaus zulässig und empfehlenswerth, zu erklären, dass jeder Ein-
zelne innerhalb einer bestimmten Frist sich ausdrücklich für die Auf-
nahme in den neuen Staatsverband zu entscheiden habe, widrigen-
falls er als in seinem bisherigen Staatsverbande verbleibend gelten
würde. Regelmässig aber hat man den gerade entgegengesetzten
Weg eingeschlagen und der Bevölkerung eines im Wege der Cession
erworbenen Landestheiles des Präjudiz gestellt, dass jeder Einzelne
innerhalb einer solchen Frist sich ausdrücklich für den Verbleib
in seinem bisherigen Staatsverbande erklären müsse, widrigenfalls
er ohne Weiteres als freiwillig in den neuen Staatsverband über-
tretend angesehen werden würde; dieses Präjudiz ist, wie gesagt,
an sich nicht durchaus folgerichtig vom Standpunkte der oben
entwickelten Theorie her, aber keines Falls geradezu verwerflich,
denn es enthält schliesslich keine directe der Sache wider-
sprechenden Pression auf die Individualität.
So gelangt man zu dem Institute der Option, welches aller-
dings, wie man sieht, ein nahezu unerlässliches Correlat der Lehre-
von der völkerrechtlichen Gebietscession enthält und, streng ge-
nommen, die Plebiscittheorie der Franzosen vollkommen überflüssig
macht, da es an sich so viel als irgend denkbar, dem Zwecke ent-
spricht, die Härten zu mildern, welche ein derartiger Gebietsüber-
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