— 242 —
entweder aus der angestammten Heimath auszuwandern?) oder
Bürger des Staates zu werden, welcher die Territorialgewalt über
das fragliche Gebiet erwirbt.
Man mag über diese Theorie denken, wie immer man will,
unerfindlich bleibt jedenfalls, welchen Zweck es hat, dieselbe
noch mit der Option zu verknüpfen, wie das von Seiten
der Publicistik und der Praxis fast ausnahmslos geschieht, denn
was soll das eigentlich heissen, dem Einzelnen die Option für
seinen bisherigen Staatsverband zu gestatten, gleichzeitig aber zu
bestimmen, dass, wenn er in diesem Sinne optirt, er innerhalb
einer bestimmten Frist das Land zu verlassen habe, widrigenfalls.
die Option ungiltig und er doch als Optant für den erwerbenden
Staat angesehen werden solle? In dieser Hinsicht sind die Ameri-
kaner, wie so oft, die praktischen Leute, welche den Kern der
Sache treffen und sich die Mühe sparen, sich oder Anderen ein
X für ein U zu machen. Will man schon die Gesichtspunkte,
welche soeben angedeutet wurden, ganz ausschliesslich zur Geltung
bringen, dann kann man auf die ganze Option überhaupt ver-
9) Wie wenig stichhaltig sich diese ganze Theorie von der „Auswander-
angsfreiheit und ihrer Bedeutung bei Gebietscessionen* darstellt, geht schon aus
den weiteren Fragen hervor, welche damit nothwendigerweise verknüpft wer-
den müssen, aber eine befriedigende Lösung ausschliessen. Man behauptete
nämlich, dass die Auswanderung auch eine „ernstliche“ sein müsse, wenn sie
die gewünschte Wirkung üben solle, also vor sich zu gehen habe: sine animo
revertendi oder cum animo non revertendi. Damit aber gelangt man zu Spitz-
findigkeiten, die nun und nimmermehr einen befriedigenden praktischen Er-
folg versprechen. Man weise eben einfach diejenigen Einwohner eines neu-
erworbenen Gehietes, welche ihre bisherige Staatszuständigkeit beibehalten
wollen, aus, sobald sie thatsächlich anfangen sich lästig zu machen, und ver-
sage ihnen die Erlaubniss zur Rückkehr, wenn sie späterhin eine solche ver-
suchen. Damit ist der Staat offenbar in der Lage, alle Voraussetzungen zu
erfüllen, deren er für seine eigene Sicherheit bedarf. Die Rücksicht auf den
in solchen Fällen ja an sieh ganz erklärlichen und berechtigten Wunsch eines
Staates, innerhalb seiner Bevölkerung möglichst schnell eine einliche Scheid-
ung eintreten zu lassen, kann von der Völkerrechtswissenschaft aber nicht so
weit getrieben werden, dass sie eine Verletzung ihrer fundamentalsten Grund-
sätze als legales Princip anerkennen dürfte.