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entwickeln. Dabei werden selbstverständlich auch diejenigen Ge-
sichtspunkte näher festzustellen sein, nach welchen das Fremden-
recht gerade im Falle einer Gebietscession zu handhaben ist;
und, ohne den Ergebnissen vorgreifen zu wollen, zu welchen diese
Untersuchungen noch führen werden, darf man doch schon jetzt
den Lehrsatz aufstellen, dass dieses Recht nicht, wie man bisher
gemeint hat, in solchen Fällen besonders straff, sondern umge-
kehrt so nachsichtig, als möglich, gehandhabt werden sollte, denn,
wenn auch einerseits allerdings gerade hiebei der erwerbende
Staat, um seines eigenen Bestandes willen, sich zu den weit-
gehendsten Vorsichtsmassregeln wird genöthigt erachten 'dürfen,
so sollte doch andererseits nicht übersehen werden, dass eine
ganze Bevölkerung sich unter solchen Umständen einer Zwangslage
gegenüberbe findet, welche mit den elementarsten Anforderungen
der Rechtsidee nur sehr schwer und künstlich ın Einklang zu
bringen ist und deren übermässig rücksichtslose Ausnützung durch
den erwerbenden Staat schliesslich diesem selbst mehr Nachtheil
als Vortheil bringen würde.
Sicherlich hat jeder Staat die Befugniss, solche Fremde aus
seinem Gebiete auszuweisen, welche sich lästig machen; aber es
geht nicht an, nach Gebietscessionen etwa eine allgemeine Rechts-
anschauung dahin aufzustellen, dass alle, welche für ihren bis-
herigen Staatsverband optiren, schon dadurch sich eines mit der
Sicherheit und dem Bestande des Staates unerträglichen Betragens
schuldig machen; und das Ausweisungsrecht sollte erst dann
in Anwendung gebracht werden, wenn es durch die besonderen
Umstände des einzelnen Falles geboten erscheint. Viel wird
natürlich ganz im Allgemeinen davon abhängen, in welcher Weise
die Cession überhaupt vor sich ging: ob auf Grund einer ge-
waltsamen Aneignung, einer Eroberung, oder eines freiwilligen
Actes von Seiten des cedirenden Staates; ‘aber ganz abgesehen
davon, bleibt es unter allen Umständen richtig, dass durch Vor-
gänge, welche doch nur durch politische Interessen geboten