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auf völlig legalem Wege vor sich gehen; es können zwei Staaten
sich zu einem Ganzen vereinigen oder von einem Staate Theile
seines Gebietes derelinquirt, oder an einen andern Staat ver-
schenkt, verkauft oder vertauscht werden; und es gibt kein in
sich begründetes Recht der auf solchen Gebieten ansässigen Be-
völkerungen, welches dieselben befugte, ihrerseits gegen einen
derartigen Act Einspruch zu erheben; wohl aber gibt es ein Recht
der Individualität, welches die Zugehörigkeit des Einzelnen zu
einem bestimmten Staatsverbande gegen den Willen des ersteren
als schlechterdings unauflöslich erscheinen lässt und das aller-
dings in allen Fällen einer starken Gefährdung ausgesetzt ist,
da die Territorialgewalt eine Aenderung erfährt; ebenso wie jede
derartige Aenderung, wenn sie auch formell vollkommen ein-
wandsfrei erscheint, doch sehr leicht thatsächlich dazu führen
kann, die guten Beziehungen der Staaten zu einander und das
heisst in Wahrheit nichts anderes, als eine geordnete Rechtsge-
meinschaft derselben zu zerstören. Es ist daher unzweifelhaft
Aufgabe der Wissenschaft, so paradox das auch an sich klingen
mag, solche Grundsätze aufzustellen, welche zwar nicht, wie ge-
wisse Vertreter des radicalen Vernunftrechtes, jede Aenderung
der Länderconfiguration schlechthin verbieten, aber doch einem
Staate, wenn er zu seinen Gunsten eine derartige Aenderung an-
strebt, möglichst erschweren, sich mit den Folgen eines derartigen
Vorganges in befriedigender Weise abzufinden, denn dadurch
allein kann bewirkt werden, dass solche Aenderungen nicht will-
kürlich, nach den augenblicklichen Launen der Machthaber oder
der Völker, sondern, wie es zum Segen der Kulturwelt unerläss-
lich ist, immer nur aus den gewichtigsten und zwingendsten
Gründen angestrebt werden und zu Stande kommen.
Das Völkerrecht, als wirkliches Staatengesellschaftsrecht ge-
dacht, bedingt also durchaus nicht jene absolute Stabilität,
welche ihm so vielfach zum Vorwurfe gemacht worden ist, und
nur ein oberflächliches Urtheil kann behaupten, dass es den