Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achter Band. (8)

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Die Antwort auf die Frage, was ordre public eigentlich sei, sind 
uns freilich die Anhänger dieser Richtung schuldig geblieben. Für 
den Savıenv’schen Sitz des Rechtsverhältnisses hat uns diese Schule 
den eben so unbestimmbaren ordre public gegeben. Mit dieser 
Aufstellung hat eben diese Theorie das praktische Fundament 
des Rechts verlassen und sich auf den schlüpfrigen Boden der 
Rechtsphilosophie begeben, welche für praktische Entscheidungen 
niemals den Anhalt bieten kann, welchen ein Gesetz verschaffen 
soll. Abgesehen hievon gelangen fast sämmtliche Vertreter dieser 
Anschauung in Folge der Unbestimmbarkeit des ordre public, 
wie Weiss und FIoRE auch ausdrücklich anerkennt‘), zu dem 
Schlusse, der Begriff des ordre public und seine Feststellung unter- 
liegen im einzelnen Falle dem richterlichen Ermessen. Dies zeigt 
so recht die Unzulänglichkeit dieser Theorie; denn damit verliert 
das Grundprincip des ordre public seine Widerstandsfähigkeit. 
Eine weitere Schwäche liegt ferner in dem Grunde, den wir später 
bei der Verwerfung der Regel mobilia personam sequuntur für 
das Mobiliarrecht kennen lernen werden, nämlich in der Frage, 
welches Nationalitätsgesetz ım Üollisionsfalle entscheiden 
solle. Die Verknüpfung des Sachenrechts mit der Person, sei es 
des Eigenthümers, sei es des Besitzers, führt zu unlösbaren Schwie- 
rigkeiten. Von der Unzulänglichkeit des ordre public als Mass- 
stabes überzeugt, suchen vergeblich Fiork£ und besonders FusınaTo 
den Begriff des ordre public durch Specialisirungen, wie interet 
economique, politique, moral, religieux eine greifbarere Gestalt 
zu geben. 
Zur Rettung des ordre public als Quelle der Anwendbarkeit 
der lex rei sitae im Sachenrechte hat Laurent noch den Versuch 
durch Aufstellung der lois d’ordre social gemacht). Die Gesell- 
4) Weiss, Anpr£, Trait6 el&mentaire de droit international prive, Paris 
1885 S. 516, PRADIER FoD£rf a. a. O. S. 55. 
5) Vgl. LAurEnT Avantprojet de revision du code civil belge art 26. 
Les lois relatives aux droits de la societe regoivent leur application quelque
	        
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