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genseitiges Einverständniss beider Kontrahenten, nicht aber ein-
seitig durch den einen Teil, welcher sich ein neues Strafrecht
gibt, abgeändert werden kann ?'). Anderer Meinung sind Herzer,
Deutsche Auslieferungsverträge 1883, S. 188, Stauninger, a. a. O-
S. 29 und der holländische Schriftsteller Hırsorn, a. a. S. 77
Anm. 3.
In der Praxis der beiderseitigen Regierungen wird die Aus-
lieferungspflicht bemessen nach demjenigen Strafrecht, welches
zur Zeit der Begehung der zur Auslieferung Anlass gebenden
Strafthat in beiden Ländern gilt. Es ergibt sich dies deutlich
aus dem mehrerwähnten Aufsatze im Preuss. Iust.-M.-Bl. 1889
S. 22 Ziffer 38, wo nur das geltende holländische Strafrecht be-
rücksichtigt, ja der Art. 326 des neuen Strafgesetzbuches aus-
drücklich angeführt wird. (Vergl. auch Ziffer 35, wo hinsichtlich
Englands das Gleiche gilt.) Ein Zurückgehen auf die alten längst
aufgehobenen Strafgesetzbücher aus der Zeit des Vertragsab-
schlusses ist mit zu grossen Mühseligkeiten verknüpft. Ausserdem
haben beide Staaten ihr Strafrecht geändert.
Man wird aber mit der geltenden Praxis nicht so weit
gehen dürfen, dass man auch die Delictsbegriffe nach gegenwär-
tigem Recht interpretirt.
Unserer nachfolgenden Betrachtung legen wir das neue
deutsche und niederländische Strafgesetzbuch zum Grunde und
folgen, was zunächst den allgemeinen Teil betrifft, dabei der
Einteilung des letzteren Gesetzes.
I. Allgemeiner Teil.
l. Wirkungskreis des Strafgesetzes:
Die Auslieferungsverträge bestimmen sämmtlich, dass Holland
zur Auslieferung nur verpflichtet ist, wenn die betreffende Straf-
that ausserhalb seines Gebietes verübt worden ist. Als Teile
seines Gebiets betrachtet es auch seine Schiffe. Art. 3 erklärt
2?!) Vgl. meine Abhandlung in der Zeitschr. für internationales Privat-
u. Strafrecht Bd. 2 Heft 2.