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Aussicht auf Einigung der verschiedenen Urheberrechtstheorien
vorhanden.
Unterdessen hat das schnellwachsende Wesen einen solchen
Umfang angenommen, dass die dürftige gesetzliche Hülle, mit
der man es bekleidete, nicht mehr genügt. Bevor dem Kind ein
Namen gegeben ist, müssen wir für seine weitere Ausbildung
sorgen. Es muss anerkannt werden, dass zur Vorbereitung
hierzu schon viel geschehen ist, im Inland von Seiten der Buclı-
händler und Autoren, und besonders im Ausland, wo von Be-
theiligten und Juristen auf eine internationale Neuregelung des
Urheberrechts hingearbeitet wird ?).
Ob letztere Bestrebungen von baldigem Erfolge begleitet sein
werden, ist fraglich, so sehr es zu wünschen wäre. In erster
Reihe kommt für uns die inländische Gesetzgebung in Betracht.
Und hierbei stossen wir auf grosse Schwierigkeiten, als deren
bedeutendste wir die Uneinigkeit zwischen den betheiligten Inter-
essentenkreisen, Verlegern und Schriftstellern bezeichnen müssen.
Während in den ersten Zeiten der Urheberrechtsentwickelung
die Buchhändler als einzige Betheiligte in Betracht kamen, sind
seit dem vorigen Jahrhundert die Autoren zu Trägern des Ur-
heberrechts, und ihre Interessen für seine Gestaltung fast aus-
schliesslich massgebend geworden. Heute wird von beiden Seiten
über ungenügenden Schutz geklagt und die Forderung weitgehen-
derer Berücksichtigung ihrer Interessen erhoben.
Es sind sociale und wirthschaftliche Gründe, die in die Er-
örterung gezogen werden: die Förderung der Litteratur und Kunst,
die Erhaltung des um seine Zukunft besorgten, bis jetzt wegen
seiner vortrefflichen Organisation gepriesenen Buchhandels. Natur-
gemäss verdichtete sich der Interessenzwiespalt zu einem Princı-
2) Vgl. hierüber die vom internationalen Bureau in Bern herausgegebene
Zeitschrift Le droit d’auteur, Jahrgang 1892.