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die Präsumtion, dass der bessere Elterntheil nicht zu jenen
starken .Naturen gehöre.
Bei der: Beurtheilung der Persönlichkeit der Eltern fallen
etwaige von denselben erlittene Criminalstrafen selbstverständ-
lich in’s Gewicht; man hüte sich aber, solche Strafen als allein
massgebend anzusehen. Das ganze sittliche Niveau, auf welchem
die Eltern stehen, die ganze sittliche Atmosphäre, in welcher
die Kinder leben, ist in Betracht zu ziehen. Die Moralität
eines Mannes, der in einer unseligen Stunde zu einem schweren
Delict sich hinreissen liess, kann eine ungleich höhere sein
als die eines Säufers .oder Wüstlings, der das Strafgesetz noch
nicht verletztee Ein Mann wie der zuerst geschilderte wird
gewiss seine Kinder durch sorgsame Erziehung von jenem Ab-
grunde fernzuhalten suchen, in welchen er selbst gestürzt war.
Wenn das Kind eines solchen Mannes, vielleicht gerade in Folge
der während der Gefangenschaft des Vaters eingetretenen Ver-
wahrlosung, demnächst eine strafbare Handlung begeht, so ist es
sicherlich hart und ungerechtfertigt, Letzterem lediglich in An-
betracht seiner Bestrafung die Erziehungsgewalt zu nehmen. Hier
mag übrigens daran erinnert werden, dass nach $ 255 II2 A. L.-R.
die Verurtheilung des Vaters zu harter und schmählicher Zucht-
hausstrafe oder zu zehnjährigem Gefängniss ohne weiteres den
Verlust der väterlichen Gewalt, also auch des Erziehungsrechts,
zur Folge hat.
Das dritte Postulat, dass die gesammten übrigen Lebens-
verhältnisse des Kindes zu berücksichtigen seien, bedarf
keiner weiteren Erörterung.
B. Zwangserziehung mit dem Willen der Eltern oder son-
stigen Erzieher.
Nach $$ 86—89 II 2 A. L.-R. sind die Eltern „berechtigt, zur
Bildung der Kinder alle der Gesundheit derselben unschädlichen
Zwangsmittel zu gebrauchen. Finden sie diese nicht hinreichend,