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ist sein Unterscheidungsvermögen in Ansehung von Recht und
Unrecht und um so weniger ist es fähig, den zu einem be-
stimmten Delictsthatbestande erforderlichen Dolus zu fassen. —
Noch seltener ist der subjective Thatbestand eines Fahrlässig-
keitsdelicts bei einem Kinde feststellbar, da ja die Fahrlässig-
keit begrifflich eine Unvorsichtigkeit bei Vornahme einer
Handlung und die Voraussehbarkeit des eingetretenen rechts-
widrigen Erfolges erfordert, also nicht blos auf einem Willens-,
sondern auch auf einem Verstandesfehler beruht?”), der Ver-
stand eines noch nicht strafmündigen Kindes aber noch nicht so
weit entwickelt zu sein pflegt, dass es die Folgen seiner Hand-
lungen vorhersehen muss.
Ausserdem sprechen noch zwei Momente für die Beseitigung
des in Rede stehenden Kriteriums. Einmal ist die gerichtliche
Feststellung einer Strafthat, insbesondere eines Verbrechens, auch
wenn dieselbe zu einer Bestrafung des Kindes nicht führt, ge-
eignet, es mit einem dauernden Makel zu behaften, ein Erfolg,
der um so mehr zu bedauern ist, als er nicht alle verwahrlosten,
Jugendlichen Uebelthäter gleichmässig, sondern nur diejenigen
trifft, deren Eltern oder sonstige Erzieher nicht die Gewähr der
Verhütung weiterer Verwahrlosung bieten. Sodann aber erfor-
(dert jene Feststellung gerade deshalb, — wie später noch ge-
nauer zu erörtern sein wird, — ein im Wesentlichen die Cautelen
des Strafprocesses bietendes Verfahren, während man
beim Fallenlassen des Requisites der strafbaren Handlung mit
einem viel einfacheren, kürzeren und billigeren Verfahren aus-
kommen kann.
D. AscuroTT®®) tadelt es, dass der Entwurf eines B. G.-B. das
Eingreifen des Staates in die elterlichen Erziehungsrechte von irgend
einem schuldhaften Verhalten des Inhabers derselben abhängig
mache. Da die Unterbringung des Kindes „keineswegs als Be-
37) Vgl. O1sHAUSEN Note 17 zu $ 59 Str.-G.-B. und die dort Citirten. .
38) A. a. 0.8. 17 f.