— 34 —
strafung der Eltern, sondern im öffentlichen Interesse eintreten
solle, um den Staat vor dem Heranwachsen verbrecherischer Ele-
mente zu schützen,‘ müsse das Eingreifen „auch unabhängig von
einem Verschulden der Eltern überall da eintreten, wo die erzieh-
lichen Einwirkungen der Eltern und der Schule sich als unzu-
reichend erwiesen haben“. Ich halte jedoch den Standpunkt des
Entwurfes für den richtigen. Einmal deshalb, weil ich mir in
dem zuletzt erwähnten Falle einen Erfolg von der Zwangser-
ziehung nicht verspreche. Entweder ist das Kind moralisch so
schlecht veranlagt, dass an ihm, vulgär ausgedrückt, Hopfen und
Malz verloren ist; dann wird auch die strengste Zwangserziehung
den Hang zum Bösen in ihm nicht zu ersticken vermögen; oder
es ist noch besserungsfähig: dann ist sein Verbleiben im Eltern-
hause, — vorausgesetzt eben, dass die Eltern ihm eine ordent-
liche Erziehung zu geben bestrebt sind, — erst recht geboten.
Denn das Elternhaus besitzt ein Heilmittel, das weder in
einer Erziehungs- noch Besserungsanstalt noch in einer fremden
Familie zu finden ist, das ist dıe das Herz des Kindes erleuchtende
und edlere Regungen in ihm zu wecken geeignete Liebe der
Eltern und Geschwister. In den Anstalten und fremden Familien
— die ja doch meist nur ihres pecuniären Vortheils wegen siclı
zur Annahme eines solchen Kindes entschliessen — geht das
Herz desselben leer aus; das ist ein Mangel, dem gegenüber die
Unzulänglichkeit der elterlichen Erziehungsmittel um so weniger
in die Wagschale fallen kann, als die zunehmende Verstandes-
reife des Kindes die erziehlichen Einwirkungen der Eltern und
Lehrer allmählich erleichtert und fördert?®). — Der Standpunkt des
Entwurfes dürfte aber auch darum der richtige sein, weil bei
dem hier vorliegenden Conflicte des öffentlichen und des Privat-
‚rechts das letztere sich als das stärkere erweist. Auch weın
39) Mir erscheint die neuerdings vielfach hervortretende Tendenz nach
grösstmöglicher Ausdehnung der Zwangserziehung auch schon wegen
ihres stark socialistischen Gepräges bedenklich.