Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achter Band. (8)

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strafung der Eltern, sondern im öffentlichen Interesse eintreten 
solle, um den Staat vor dem Heranwachsen verbrecherischer Ele- 
mente zu schützen,‘ müsse das Eingreifen „auch unabhängig von 
einem Verschulden der Eltern überall da eintreten, wo die erzieh- 
lichen Einwirkungen der Eltern und der Schule sich als unzu- 
reichend erwiesen haben“. Ich halte jedoch den Standpunkt des 
Entwurfes für den richtigen. Einmal deshalb, weil ich mir in 
dem zuletzt erwähnten Falle einen Erfolg von der Zwangser- 
ziehung nicht verspreche. Entweder ist das Kind moralisch so 
schlecht veranlagt, dass an ihm, vulgär ausgedrückt, Hopfen und 
Malz verloren ist; dann wird auch die strengste Zwangserziehung 
den Hang zum Bösen in ihm nicht zu ersticken vermögen; oder 
es ist noch besserungsfähig: dann ist sein Verbleiben im Eltern- 
hause, — vorausgesetzt eben, dass die Eltern ihm eine ordent- 
liche Erziehung zu geben bestrebt sind, — erst recht geboten. 
Denn das Elternhaus besitzt ein Heilmittel, das weder in 
einer Erziehungs- noch Besserungsanstalt noch in einer fremden 
Familie zu finden ist, das ist dıe das Herz des Kindes erleuchtende 
und edlere Regungen in ihm zu wecken geeignete Liebe der 
Eltern und Geschwister. In den Anstalten und fremden Familien 
— die ja doch meist nur ihres pecuniären Vortheils wegen siclı 
zur Annahme eines solchen Kindes entschliessen — geht das 
Herz desselben leer aus; das ist ein Mangel, dem gegenüber die 
Unzulänglichkeit der elterlichen Erziehungsmittel um so weniger 
in die Wagschale fallen kann, als die zunehmende Verstandes- 
reife des Kindes die erziehlichen Einwirkungen der Eltern und 
Lehrer allmählich erleichtert und fördert?®). — Der Standpunkt des 
Entwurfes dürfte aber auch darum der richtige sein, weil bei 
dem hier vorliegenden Conflicte des öffentlichen und des Privat- 
‚rechts das letztere sich als das stärkere erweist. Auch weın 
  
39) Mir erscheint die neuerdings vielfach hervortretende Tendenz nach 
grösstmöglicher Ausdehnung der Zwangserziehung auch schon wegen 
ihres stark socialistischen Gepräges bedenklich.
	        
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