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Studien aus dem deutschen Zollrecht.
Von
UonRAD THüMmMEL, Amtsgerichtsrath ın Görlitz.
Für die Herkunft von Begriffen gibt diejenige der sie be-
zeichnenden Worte immer einen bedeutsamen Anhalt. Der Be-
griff des Zollrechtes, das heisst des Hoheitsrechtes des Staates,
von allen durch den Handel über seine Grenzen transportirten
Gütern eine bestimmte Abgabe zu erleben, aus keinem andern
Grunde, als weil sie eben über seine Grenze gebracht werden,
scheint uns heute so natürlich und selbstverständliich aus dem
Staatsbegriffe selbst zu folgen, dass wir leicht geneigt sind, auch
geschichtlich rückwärts schliessend das Zollrecht als in den ersten
Anfängen des Staatslebens schon enthalten anzunehmen.
Das ist nun aber wenigstens für die Staaten germanischen
Ursprungs keineswegs der Fall. Der germanische Staat ist in
seiner ersten Entwicklung nicht ein Territorialstaat, sondern ein
Nationalstaat: nicht ein auf den Gedanken räumlicher Abgrenzung
des Wohnsitzes, sondern auf den der Stammes-Zusammengehörig-
keit gegründeter. Dies hängt augenscheinlich mit dem diesen
Völkern so tief eingewurzelten uralten Wandertriebe zusammen,
und unterscheidet deutlich die hier sich entwickelnde Staatenbild-
ung von der des classischen Alterthums, in welchem sie sich
bestimmt und deutlich an die Entwicklung grosser städtischer
(iemeinwesen mit fest bestimmtem Wohnsitz einer dicht gedrängten