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Während also heute die Zollgesetze fast aller eivilisirten Staaten
wie das deutsche Vereinszollgesetz die blosse Durchfuhr gänzlich
ohne Abgabe»lassen, so hatten wir bei dem Sundzolle die merk-
würdige Erscheinung, dass ein Staat von den Angehörigen fremder
Staaten, ohne dass diese sein eigentliches Territorium auch nur
berührten, bloss für das Durchschiffen des allerdings noch in
seiner Machtsphäre belegenen Gewässers von Schiffen wie
Ladung eine hohe Abgabe eintrieb.
Das Zollrecht des deutschen Reiches bestimmt also nur für
solche Waaren eine Abgabe, welche wirklich über seine Grenzen
— sei es hinein oder hinaus — gebracht werden; ohne danach
zu fragen, welcher Nationalität diejenigen angehören, deren Eigen-
thum «diese Waaren sind, oder für deren Rechnung sie transportirt
werden. Der Zoll trifft also die Waare und nicht die Person ?)
und dadurch in der Wirkung den Inländer so gut wie den Aus-
länder.
Es sei mir erlaubt, hier nochmals den erwähnten Sundzoll
zur Gewinnung eines grundsätzlichen Gesichtspunktes für den
Zoll überhaupt heranzuziehen. Denn er stellte eine der ältesten
und rohesten Formen des Zolles dar: und diese sind auch zugleich
die ehrlichsten, das heisst diejenigen, an welchen man das Wesen
der Erscheinung am Besten ergründen kann. Der Sundzoll traf
nur das ausländische Schiff; inländische waren vollständig frei.
Ebenso stellt jeder Grenzzoll seiner inneren Daseinsbegründung
nach einen Versuch des betreffenden Staates dar, auch die Ange-
hörigen eines fremden Staates sich abgabenpflichtig zu machen,
d. h. zur Bestreitung seiner Bedürfnisse mit heranzuziehen. Die
Frage, ob das Ausland (der einführende Producent) oder das In-
land (der kaufende Consument) den Zoll schliesslich trage, ist
5) Darin macht auch die bekannte Clausel der Handelsverträge von den
„meistbegünstigten Nationen“ keinen Unterschied. Denn diese Begünstigung
bestimmt sich nicht etwa nach der Nationalität der Einführenden, sondern
nach dem Herkunftsstaat der betreffenden Waare.