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Die verfassungsrechtliche Stellung des deutschen
Kaiserthums.
Von
CoNRAD BORNHAK.
In einer früheren Abhandlung !) wurde der Nachweis unter-
nommen, dass trotz der vertragsmässigen Grundlagen, auf denen
die Reichsverfassung beruht, das Reich nicht bloss ein Societäts-
verhältniss unter den deutschen Staaten, sondern selbst eine staat-
liche Rechtspersönlichkeit ist. Indem man von den damals ge-
wonnenen Resultaten ausgeht, handelt es sich nunmehr darum,
den Charakter dieser Staatsbildung näher zu bestimmen durch
Erörterung der verfassungsrechtlichen Stellung ihres Oberhauptes.
Es besteht jetzt kaum noch ein Zweifel darüber, dass die ArıSTOTELI-
schen Kategorien der Staatsverfassungen, die nur all zu lange
die stäatsrechtliche Theorie beherrscht haben, indem man höch-
stens als Zwischenglieder sogenannte gemischte Verfassungen ein-
schob, für die unendlich complicirten Verhältnisse des modernen
Staates nicht mehr passen. Auch beim deutschen Reiche ist es
ein müssiges Spiel, dasselbe durch die Feststellung der staats-
rechtlichen Natur des Kaiserthums unter den Begriff der Monar-
chie oder der Republik zwängen zu wollen. Der staatsrechtlichen
1) Archiv für öffentliches Recht Bd. 7, S. 329 ff.