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ten Staaten war?). Soviel leidet jedenfalls keinen Zweifel, dass
die Organisation des Bundes — und auf diese: kommt es hier
allein an — einen rein societätsmässigen Charakter besass. Dem-
nach war die sesammtheit der deutschen Fürsten und freien Städte
nicht nur Träger der Bundesgewalt, mag diese Staatsgewalt oder
Societätsgewalt gewesen sein, sondern der Bund hatte auch nur
ein einziges Organ in dem von den Mitgliedern des Bundes be-
stellten Gesandtencongresse, der Bundesversammlung. In einem
völkerrechtlichen Vereine mit societätsmässiger Organisation war
offenbar für eine rechtlich anerkannte Hegemoniestellung eines
einzelnen Staates kein Platz. Die Rechtsgleichheit aller Bundes-
genossen wird daher in Art. 3 der Bundesacte ausdrücklich aus-
gesprochen. Der die Bundesangelegenheiten leitende Gesandten-
congress bedurfte jedoch wie eine bestimmte Geschäftsordnung
überhaupt, so namentlich einen Vorsitzenden, und dieser Vorsitz
wird Oesterreich eingeräumt. Hierin allein besteht die juristische
Bedeutung der österreichischen Präsidialstellung.
Oesterreich hat demnach — immer von der politischen Seite
der Frage ganz abgesehen — keinen anderen materiellen Ein-
fluss auf die Bundesthätigkeit als die übrigen Staaten. Das
Recht Oesterreichs, welches es durch seinen dem Auswärtigen
Ministerum unterstellten Gesandten beim Bundestage ausübte,
beschränkte sich auf die rein formelle Function des Vorsitzes in
der Bundesversammlung °). Hierin lagen jedoch noch zwei weitere
Befugnisse. Der Vorsitzende, also regelmässig der österreichische
Präsidialgesandte, gab die Entscheidung bei Stimmengleichheit
2) Vgl. darüber G. MEYER, Deutsches Staatsrecht (3. A.), S. 94.
3) Vgl. Erklärung des österreichischen Präsidialgesandten bei Eröftnung
des Bundestages am 5. November 1816: „Se. Majestät betrachten sich als
vollkommen gleiches Bundesglied, Sie erkennen in dem eingeräumten Vor-
sitz bei dem Bundestag kein wahres politisches Vorrecht, sondern ehren darin
nur die schöne Bestimmung einer ihnen anvertrauten Geschäftsleitung.“ KLÜBER,
Oeffentl. Recht $ 135.