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worfen werden, ob bei diesem Missverhältniss der Machtmittel
überhaupt ein bundesstaatliches Verhältniss unter den deutschen
Staaten durchführbar sei. Es erschien als eine Monstrosität,
dass das siegreiche Preussen derselben Mediatisirung durch eine
Bundesgewalt unterworfen werden sollte wie Reuss ä. L. und
Schaumburg-Lippe. Eine andere Kombination als die bundes-
staatliche: erschien unter den veränderten politischen Verhält-
nissen viel natürlicher. Warum ’sollte man nicht den preussischen
Staat zur Grundlage der neuen Staatsbildung machen und ihm
die anderen norddeutschen Staaten als Vasallenstaaten angliedern”
-Man brauchte: bloss auf den Gebieten, auf denen einheitliches
Recht und: einheitliche Verwaltung in ganz Norddeutschland
herrschen sollten, die Competenz der preussischen Staatsorgane
auf das Territorium der übrigen norddeutschen Staaten auszu-
dehnen. Für die allgemeine Gesetzgebung konnten dann Mitglieder
:der anderen Staaten in den preussischen Landtag eintreten, da-
neben fand sich vielleicht auch noch Gelegenheit, den Vertretern
der Regierungen eine Mitwirkung einzuräumen’).
Einem solchen, der gegebenen politischen Lage entsprechenden
Verfassungsplane, welcher in der Herrschaft Preussens, der Me-
diatisirung der übrigen Staaten gipfelte, hätten die letzteren —
‘entweder unbedeutende Kleinstaaten oder eben erst nach dem
‘siegreichen ‚Kriege Preussens zum Frieden gezwungene Mittel-
staaten wie Sachsen und Hessen — sicherlich keinen ernstlichen
‘Widerstand entgegensetzen können. Wenn die preussische Re-
gierung trotzdem an dem Bundesreformplane vom Juni 1866 fest-
hielt, so geschah dies wesentlich aus Rücksicht auf die süd-
deutschen Staaten, auf deren späteren Eintritt man von Anfang
an bedacht sein musste, und die sich vielleicht einer bundes-
staatlichen Verbindung, niemals aber einer Mediatisirung durch
:9)Ngl: z. B. die dahin zielenden Vorschläge, welche H. v. T. (TrEıtstHke)
in den Preuss. Jahrb. Bd. 18 (1866), S. 346 ff. machte.