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Preussen unterworfen haben würden. Gleichwohl machte sich
der Einfluss der politischen Thatsachen derart geltend, dass der
Entwurf der norddeutschen Bundesverfassung wesentlich von dem
Juni-Entwurfe abweicht, und eine starke unitarische Tendenz zu
Gunsten des preussischen Staates in ihm sichtbar ist.
In der Organisation der Bundesgewalt schloss man sich zwar
grundsätzlich an den Juni-Entwurf an. Der Schwerpunkt der
Bundesverfassung ruhte also auch weiterhin in dem nunmehr als
Bundesrath bezeichneten (sesandten-Congresse der verbündeten
Staaten. Innerhalb desselben war nach der von den verbündeten
Regierungen angenommenen preussischen Vorlage der Krone
Preussen eine ähnliche Stellung zugedacht wie einst zu Frank-
furt a. M. der österreichischen Präsidialmacht. Sie sollte den
Bundesrath und Reichstag berufen und schliessen, die Vorlagen
nach Massgabe der Bundesrathsbeschlüse an den Reichstag
bringen, die Bundesgesetze ausfertigen und verkündigen und durch
den Bundeskanzler, der gleich dem österreichischen Präsidial-
gesandten als ein dem Auswärtigen Ministerium untergeordnetes
Organ gedacht war, den Vorsitz ım Bundesrathe führen.
Neben diesen formellen Präsidialbefugnissen erhält jedoch die
Krone Preussen eine Reihe materieller Rechte für das ganze Bun-
desgebiet. Hier gewinnt die vorher geschilderte unitarische Strömung
innerhalb des Rahmens der Bundesverfassung dieOberhand. Die aus-
wärtige Verwaltung, Post und Telegraphie, Kriegswesen und Kriegs-
marine, die Ernennung der Bundesbeamten und die Ueberwachung
der Ausführung der Bundesgesetze gehen unbeschadet der einzel-
staatlichen Reservatrechte für das ganze Bundesgebiet auf die
Krone Preussen über. Es werden also einfach die Einzelstaaten
zu Gunsten Preussens mediatisirt, was um so leichter möglich
war, als keinem Einzelstaate das Recht eigener diplomatischer
Vertretung entzogen wurde, Post und Telegraphie schon vertrags-
inässig in den meisten Bundesstaaten an Preussen abgetreten
waren, einzelne Staaten in ähnlicher Weise schon Militärconven-
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