— M3 —
wird nicht gewählt, seine Amtsperiode ist keine zeitlich be-
schränkte, er kann für seine Amtshandlungen nicht verantwört-
lich gemacht werden, er hat vielmehr ein eigenes verfassungs-
mässiges Recht auf die kaiserliche Stellung.
Was ist der Kaiser aber sonst? Gewiss ist das deutsche
Kaiserthum etwas Unfertiges und Widerspruchsvolles!?®). Aber
diese Eigenschaft theilt es mit anderen Rechtsinstitutionen. Und
weil es eine solche ist, muss eine Feststellung des staatsrecht-
lichen Begriffes möglich sein. Von derselben abzusehen!®), ist
mit dem Anerkenntnisse der Thatsache, dass es sich um eine
'Rechtsinstitution handelt, unvereinbar. Den Kaiser ferner für
einen unverantwortlichen Mitträger der Souveränetät an oberster
Stelle und somit für das Reichsoberhaupt, für den Träger der
Souveränetät mit und neben dem Bundesrathe erklären zu wollen!”),
ist eine Combination disparater Sätze ohne inneren Zusammen-
hang. Der Kaiser ist allerdings unverantwortlicher Mitträger
der Söuveränetät, aber nieht als Kaiser, sondern als König des
grössten deutschen Staates. Seine Stellung als Reichsoberhaupt
folgt daraus in keiner Weise. Er vertritt ferner den Oollectiv-
souverän des Reiches als dessen Organ. Aber diese Stellung ist
wieder von der des Königs von Preussen als eines Mitträgers der
Souveränetät verschieden. Aber auch die Erklärung der Stellung
des Kaisers aus seiner Stellung als König von Preussen im Reiche,
(d. h. als eines bevorrechteten, mit weitgehenden Sonderrechten
ausgestatteten Mitgliedes und Mitsouveräns des Reiches!®) genügt
nicht. Historisch und politisch ist zweifellos die Verbindung der
'Kaiserwürde mit der preussischen Königswürde von grösster Be-
15) v. Hxıo, Verf. des deutschen Reiches, Leipzig 1872, S. 86 ff.
16) So v. Mour, Das deutsche Reichsstaatsrecht, Tübingen 1873, ‘8.
282 ff.; ZORN in v. HOLTZENDORFF’s Rechtslexikon II, S. 426.
17) H. SchuLze, Deutsches Staatsrecht Bd. 2, S. 37.
18) LABAND, a. a.0. S. 198 ff. und Art. Kaiser in v. STENGEL’s Wörter-
buch Bad. 1, S. 700 ff,