— 44 —
deutung. Auch staatsrechtlich würden nach dem Entwurfe der
norddeutschen Bundesverfassung die jetzt unter dem Kaiserthum
zusammengefassten Befugnisse nur preussische Präcipualrechte
gewesen sein. Nachdem jedoch das Kaiserthum durch die ge-
schichtliche Entwicklung der norddeutschen Bundesverfassung und
der Reichsverfassung zu einer selbständigen Institution des Reiches
sich herausgebildet hat, rechtlich verschieden von den preussi-
schen Mitgliedschaftsrechten, kann man nicht mehr zur Erklärung
auf die letzteren zurückgehen. Wenn wir die kaiserliche Stellung
betrachten, abstrahiren wir von den sie ergänzenden preussischen
Mitgliedschaftsrechten im Reiche. Allerdings geben erst beide
zusammen das volle Bild der politischen Stellung des Kaisers.
Aber für die juristische Betrachtung ist dies gleichgiltig. Wir
sondern auch Reichs- und Landesstaatsrecht von einander, ob-
gleich erst beide zusammen das volle Bild der Staatsthätigkeit
darbieten.
Um eine Analogie für die staatsrechtliche Stellung des
Kaiserthums zu finden, braucht man nur einen Blick über die
Grenzen Deutschlands hinauszuwerfen. Allerdings ist es den
deutschen Monarchien nach der historischen Entwicklung der
deutschen Einzelstaaten eigenthümlich, dass die Staatspersönlich-
keit in der physischen Person des Herrschers verkörpert, dass
der Herrscher Träger der staatlichen Souveränetät und Grund
und Quelle jedes staatlichen Rechtes ist. Aber neben dieser
specifisch deutschen Rechtsinstitution kennt das Staatsrecht der
modernen europäischen Kulturwelt eine auf anderen historischen
Voraussetzungen erwachsene und unter diesen vollberechtigte
Parallelbildung der Monarchie, die parlamentarische Monarchie
im Staate der Volkssouveränetät, für welche die belgische Ver-
fassung von 1830 das typische Vorbild darbietet.
Grund und Quelle alles staatlichen Rechtes ist hier das
Volk, indem von ihm alle Gewalten ausgehen. Jedes staatliche
Recht und jede staatliche Function wird also vom Volke abge-