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zur Geltung gelangt ist, tritt als dieses Organ das Parlament und
zwar speciell die aus unmittelbarer Wahl des souveränen Volkes
hervorgehende zweite Kammer in den Vordergrund. In einem
Staate, dessen Souverän die Gesammtheit der Einzelstaaten bildet,
ist es die Versammlung der Vertreter der einzelstaatlichen Regie-
rungen, also im deutschen Reiche der Bundesrath. Trotz der
thatsächlichen Vorherrschaft des betreffenden Organs wird es
nicht zum Träger der Souveränetät, es ist und bleibt eins von
mehreren Organen des Souveräns. Deshalb ist neben dem un-
mittelbaren Vertreter des Souveräns Platz für andere verfassungs-
mässige Staatsorgane in rechtlicher Umabhängigkeit von der
Volksvertretung im parlamentarischen Staate, vom Bundesrathe
ım deutschen Reiche.
Ein solches selbstständiges Staatsorgan bildet inbesondere
der König in der parlamentarischen Monarchie und der deutsche
Kaiser. Der Kaiser ist demnach nicht Souverän des Reiches,
das staatliche Recht des Reiches ist nicht ın seiner physischen
Person verkörpert, Kaiser und Reich sind nicht identische Be-
griffe, sondern der Kaiser ist nur ein verfassungsmässiges Organ
der souveränen Reichsstaatsgewalt. Dass der Kaiser, da die
Reichssouveränetät in der Gesammtheit der verbündeten Regie-
rungen ruht, in seiner Eigenschaft als König von Preussen gleich-
zeitig Mitträger der Reichssouveränetät ist, fällt hier, da wir das
Kaiserthum in seiner staatsrechtlichen Isolirung zu behandeln
haben, nicht weiter ins Gewicht.
Die deutsche Kaiserwürde ist nun aber, wie wir sahen, nach
der Reichsverfassung untrennbar verbunden mit der preussischen
Königswürde. Da die letztere erlangt wird kraft eigenen Rechtes,
so wird auch die Kaiserwürde, ohne dass eine weitere Bestim-
mung der Reichsverfassung in dieser Beziehung nothwendig wäre,
in der gleichen Weise und insbesondere ohne jeden Uebertragungs-
act erworben. Dass die Stellung des Kaisers als Organ des
Reiches von keiner höheren irdischen Gewalt abgeleitet ist, findet
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