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keiner Seite beanstandet worden. Man kann daher gegenwärtig
die kaiserliche Initiative bei der Gesetzgebung als gewohnheits-
rechtlich begründet ansehen 22).
Der Kaiser hat allerdings die Initiative nur dem Bundes-
rathe, nicht dem Reichstage gegenüber. Dies ist jedoch keine
Beschränkung des kaiserlichen Initiativrechtes, sondern nur eine
Folge des in Art. 7 R.-V. ausgesprochenen Grundsatzes, dass
abgesehen von Initiativanträgen des Reichstages selbst Vorlagen
nur auf Grund eines Bundesrathsbeschlusses an den Reichstag
gelangen können. Diese Bestimmung über die Ausübung der
kaiserlichen Initiative hebt jedoch diese selbst weder ganz noch
theilweise auf.
Bei weitem zweifelhafter als die kaiserliche Initiative er-
scheint die Frage, ob der Kaiser oder der Bundesrath Träger
der gesetzgebenden Gewalt des Reiches ist, oder, concret aus-
gedrückt, ob der Kaiser oder der Bundesrath den Reichsgesetzen
die Sanction zu ertheilen hat, oder endlich, um die praktische
politische Spitze herauszugreifen, ob dem Kaiser ein Vetorecht
zusteht. Auch hierbei ıst wieder zu unterscheiden zwischen der
ursprünglichen Anlage der Bundesverfassung und ihrer Modi-
22) Gegenüber einer Polemik der Nat.-Ztg., das preussische Staatsmini-
sterium dürfe sich bei der Militärvorlage nicht in eine untergeordnete Stel-
lung drängen lassen, brachte die Nordd. Allg. Ztg. vom 3. October 1892 Abends
folgende Zusammenstellung der kaiserlichen und der preussischen Anträge
im Bundesrathe. Es ergaben sich danach:
1884 41 Präsidial-, 6 preussische Anträge,
1885 33 n 7 n n
1886 30 „ 6 n n
1887 45 r 3 „ n
1888 29 n —_ „ „
1889 30 j 1 . n
1890 40 „ 1 n n
1891 al n m ? ?
1892 (bis Oct.) 17 n 1 n n