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fieation durch Einschiebung des Präsidiums und des Kaiserthumes
als verfassungsmässigen Organes.
Wo Bundesrath undReichstag die einzigen verfassungsmässigen
Organe waren, da war für eine positive oder negative Theil-
nahme des Präsidiums an der Gesetzgebung kein Platz. Aus
dem Umstande, dass der Bundesrath zu beschliessen hatte über
die dem Reichstage zu machenden Vorlagen und die von dem-
selben gefassten Beschlüsse, letzteres auch dann, wenn sie mit
der Bundesraths-Vorlage sich deckten, konnte sehr wohl ein
Sanctionsrecht des Bundesrathes als des unmittelbaren Vertreters
des Collectiv-Souveräns gefolgert werden. Für das mit dem
Könige von Preussen noch identische Bundespräsidium blieben
nur die formalen Befugnisse der Ausfertigung und Verkündigung.
Dass der König von Preussen ein allgemeines Vetorecht nicht
besass, ergab sich als argumentum e contrario aus dem Um-
stande, dass es ihm für einzelne Fälle zugestanden war.
Mit der Erhebung des Bundespräsidiums und des Kaiser-
thums zum verfassungsmässigen Bundesorgane erfuhren die Ver-
fassungsbestimmungen über die Bundes- und Reichsgesetzgebung
keine Veränderung. Nach wie vor sollte die Uebereinstimmung
von Bundesrath und Reichstag zu einem Reichsgesetze erforder-
lich und ausreichend sein, und dem Kaiser nur die Ausfertigung
und Verkündigung der Reichsgesetze zustehen.
Der durch die Reichsverfassung festgestellte Weg der Reichs-
gesetzgebung, über welchen an sich kein Zweifel besteht, ist nun
der folgende.. Abgesehen von den aussergewöhnlichen Fällen, ın
denen eine (xesetzesvorlage durch einen Initiativantrag des Reichs-
tages eingebracht ist, hat zunächst der Bundesrath über die dem
Reichstage zu machende Vorlage zu beschliessen (Art. 7). Sodann
wird die Vorlage nach Massgabe der Beschlüsse des Bundes-
rathes im Namen des Kaisers an den Reichstag gebracht, und
dort durch Mitglieder des Bundesrathes oder Commissare des-
selben vertreten (Art. 16). Ueber die vom Reichstage gefassten