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Beschlüsse hat der Bundesrath wiederum zu beschliessen (Art. 7).
Dies gilt, da die Reichsverfassung keine Ausnahme in dieser Be-
ziehung aufstellt, auch dann, wenn der Beschluss des Reichstages
mit der Vorlage des Bundesrathes übereinstimmt. Daran schliesst
sich die Ausfertigung und Verkündigung der Reichsgesetze durch
den Kaiser (Art. 17).
Zwei praktische Fragen bezüglich der kaiserlichen Rechte
bei der Gesetzgebung sind bei diesen Verfassungsbestimmungen
bestritten. Der Kaiser tritt bei dem geschilderten Gange der
Reichsgesetzgebung zweimal auf. Einmal als Uebermittler der
Beschlüsse des Bundesrathes beim Reichstag und zweitens bei
der Ausfertigung und Verkündigung. In beiden Fällen fragt es
sich, ob das verfassungsmässige Recht des Kaisers gleichzeitig
eine verfassungsmässige Pflicht desselben ist.
Die Vorlagen des Bundesrathes können nur im Namen des
Kaisers an den Bundesrath gebracht werden. Als nun der Bun-
desrath am 3. April 1880 beschlossen hatte, die kaiserliche Vor-
lage über die Erhebung von Reichsstempelabgaben dahin abzu-
ändern, dass Quittungen über Postanweisungen und Postvorschuss-
sendungen steuerfrei bleiben sollten, forderte der Reichskanzler
am 6. April seine Entlassung, da er einen gegen Preussen,
Bayern und Sachsen gefassten Majoritätsbeschluss weder vertreten
noch in seiner Stellung als Reichskanzler von dem Beneficium
Gebrauch machen könne, welches Art.9 R.-V. der Minorität ge-
währe. Das Entlassungsgesuch wurde mit der Motivirung abge-
lehnt, dass anderweitig ein Ausgleich gefunden werden müsse.
Der Bundesrath änderte demnächst seinen Beschluss gemäss den
Wünschen des Reichskanzlers. Der letztere nahm also unter Be-
rufung auf seine Verantwortlichkeit für sich als Organ des Kai-
sers das Recht in Anspruch, die Uebermittlung von Beschlüssen
des Bundesrathes an den Reichstag zu verweigern. Bestände
ein solches Recht in der That, so hätte der Kaiser hierin ein
antecipirtes Veto, er könnte, noch ehe ein übereinstimmender