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Willenserklärung, keine Negation des kaiserlichen Gesetzgebungs-
rechtes, da auch bei rechtlich gebundenem Willen dieser selbst
nicht aufgehoben wird, und noch eine Willenserklärung möglich
bleibt und von rechtlicher Bedeutung sein kann?”).
Die Ausschliessung des an sich aus dem kaiserlichen Gesetz-
gebungsrechte zu folgernden Vetorechtes kann nun entweder
durch positive Rechtssatzung oder negativ erfolgen, indem dem
Gesetzgebungsrechte des Kaisers nicht die weitgehende Bedeutung
beigelegt wird, dass in ihm ein Vetorecht enthalten wäre.
Die Feststellung, ob dem Kaiser ein Veto bei der "Gesetz-
gebung zusteht, ist nun deshalb besonders schwierig, weil es sich
um eine aus dem Gewohnheitsrechte zu schöpfende Entscheidung
handelt, dieses aber zu seiner Ermittlung der Präcedenzfälle be-
darf, welche im vorliegenden Falle nicht vorhanden sind. Die
herrschende Ansicht spricht jedenfalls dem Kaiser ein Vetorecht
ab. Für die Erkenntniss des Gewohnheitsrechtes ist aber dieser
Theorie eine entscheidende Bedeutung nicht beizulegen, weil sie
auf der rechtsirrthümlichen Voraussetzung beruht, dass der
Kaiser nicht Träger der gesetzgebenden Gewalt sei, mit der
Voraussetzung aber auch die daraus gezogene Folgerung in sich zu-
sammenfällt.e. Ebenso irrelevant ist jedoch auch die entgegen-
gesetzte, in der Literatur vereinzelt vertretene Auffassung, welche
dem Kaiser ein Vetorecht zuspricht, weil ihm die Reichsverfassung
keine Verpflichtung zur Ausfertigung und Verkündigung auflege.
Denn auch sie ist nur eine aus rechtsirrthümlichen Voraus-
setzungen hervorgegangene Interpretation aus dem geschriebenen
27) So lautet z. B. die Eingangsformel der englischen Gesetze: „Be it
enacted by the Queen’s most Excellent Majesty, by and with the advice and
consent of the Lords Spiritual and Temporal, and Commons, in this present
Parliament assembled, and by the authority of the same, as follows.“ Die
Königin tritt also hier als Trägerin der gesetzgebenden Gewalt auf und er-
lässt das Gesetz mit Zustimmung des Parlaments, obgleich sie ihrerseits, wie
oben ausgeführt wurde, ihre Zustimmung gar nicht verweigern darf und das
Gesetz erlassen muss.