— 468 —
mag sie auch noch unentwickelt sein, keine Lücken haben kann,
so wird man sich auf die Sätze beschränken müssen, dass erstens
der Kaiser Gesetzgeber ist, zweitens an sich in dem Gesetz-
gebungsrechte das Vetorecht enthalten, drittens kein positiver
Rechtssatz nachweisbar ist, welcher diese Folgerung für den ge-
gebenen Fall ausschliesst.
Der Kaiser hat endlich unbestritten das Recht der Aus-
fertigung und Verkündigung der Reichsgesetze. Hierin liegt zum
mindesten das Recht der Prüfung, ob wirklich ein Gesetz vor-
handen, d. h. ob dasselbe in rechtsgiltiger Weise zu Stande ge-
kommen ist, und diesem Rechte entspricht eine gleich umfassende
Pflicht.
Ebenso wie die Gesetzgebung ist auch die Regierung dem
Rechte nach ein Souveränetätsrecht des Reiches. Nur zu ihrer
Ausübung bedarf dieses als Collectivsouverän verfassungsmässi-
ger Organe.
Das Verhältniss von Gesetzgebung und Regierung ist nun
aber in den Staaten mit monarchischer und mit collectiver Sou-
veränetät ein principiell verschiedenes. Dieser Unterschied muss
hier wenigstens kurz angedeutet werden, wenn er auch die kaiser-
liche Stellung nur indirect berührt.
Der monarchische Staat, welcher sich verkörpert in der
physischen Person des Monarchen, bedarf an sich der verfassungs-
mässigen Organisation nicht. Das gesammte öffentliche Recht
kann sich auflösen und hat sich thatsächlich zur Zeit der ab-
soluten Monarchie aufgelöst in eine reine Verwaltungsordnung,
deren Quelle der unbeschränkte Monarch war. Wenn nun später
die Monarchen der deutschen Staaten aus rechtlich freier Willens-
entschliessung Verfassungsurkunden erlassen haben, so haben sie
sich damit in der Ausübung einzelner ihrer Souveränetätsrechte,
namentlich der Gesetzgebung und der Justizgewalt Selbstbe-
schränkungen auferlegt, sich an verfassungsmässige Formen ge-
bunden, die sie nur in den nunmehr bestehenden Formen ab-