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Der tiefere Grund für diese erwähnten Exemtionen liegt eben
darin, dass unter solchen Verhältnissen die factische Lage der
Sache im Hinblick auf den bestimmenden Willeh des Besitzers
keine Rechtsunterworfenheit unter die lex rei sitae begründen
kann. Für den Besitzer kann der betreffende Lagerplatz im Aus-
lande nur ein Raum der Aufbewahrung sein“), ohne dass hie-
durch auch ein rechtlicher Eintritt in die fremde Rechts-
souveränetät gewollt wäre. Derselbe vollzieht sich erst mit einer
im Inlande wirkenden Verfügung über die ausländische Waare.
Es ändert sich dieses Verhältniss aber noch mehr bei Transit-
gütern, wo eine vollständige Ausschliessung der lex situs dringend
nothwendig ist. Es sind die Rücksichten des Verkehrs, welche
diese Ausnahme erheischen. Der Transitverkehr hat eben den
Zweck, Güter durch Territorien zu befördern, ohne dass dieselben
mit den verschiedenen Rechten in Berührung treten sollen. Der
Raum, durch welchen sich solche Güter auf dem Transporte be-
wegen, kennzeichnet auch hier nur thatsächliche Entfernungen,
nicht aber rechtliche Unterworfenheit. Das Interesse des öffent-
lichen Verkehrs und die Geheimnisspflicht der Transportanstalten
schliesst aber auch beim factischen Eintritt ausländischer Waaren
in das Inland die Einzelinteresse des inländischen Gläubigers aus®).
Auf diesem Standpunkte steht aber auch das schon oben er-
wähnte internationale Uebereinkommen über den Eisenbahnfracht-
verkehr vom 14. Oktober 1890%%). Es ist durch dasselbe dem
44) Es ist wohl selbstverständlich, dass diejenigen gesetzlichen oder
privatautonomen Normen, welche eine Aufbewahrung im öffentlichen Lager-
hause betreffen (z. B. Versicherungspflicht, aber auch Retentionsrecht für
nicht bezahlte Prämien etc.) nach inländischen Gesetzen zu beurteilen sind,
da es sich hier um Verpflichtungen des Ausländers aus der Benützung in-
ländischer Anstalten handelt.
45) Dagegen muss die Pfändbarkeit des Anspruchs des Destinatairs
gegen den Frachtführer in diesem Falle anerkannt werden. (Während des
Transits im Auslande wäre auch dies nicht möglich gewesen.)
46) Art. 15: Der Absender allein hat das Recht die Verfügung zu treffen,
Archiv für öffentliches Recht. VIII. 4. 36