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das Referendum nur gedient, da der König sich leichter hierzu
entschliessen werde, wenn er die Ansicht der Wählerschaft über
eine bestimmte Frage gehört habe. In den Erwägungen des Re-
gierungsvorschlages wird des schweizerischen Referendums nur
einmal Erwähnung gethan und zwar in der Weise, dass man
feststellt, dieses beruhe auf einem durchaus anderen Grundsatze,
wie das von der Regierung vorgeschlagene Königsreferendum und
gleichzeitig darauf hinweist, wie oft die Meinung des Wahlkörpers
von der seiner Vertreter abweiche. Aus dieser Begründung ist
nun sofort ersichtlich, dass die Neuerung, welche die Regierung
in Vorschlag brachte, streng genommen, als Referendum im tech-
nischen Sinne nicht bezeichnet werden kann. Man versteht unter
dem Referendum die Einrichtung, welche dem Volke, bezw. der
Wahlkörperschaft die Entscheidung über die Annahme oder
Verwerfung eines Gesetzes oder eines Beschlusses der vollziehen-
(len Gewalt einräumt; die belgische Regierung wollte der Wähler-
schaft aber nicht die endgültige Entscheidung, sondern nur
das Recht der Meinungsäusserung einräumen, sie wollte ihr
nicht ein votum decisivum, sondern ein votum delibera-
tivum gewähren und dieserhalb sprach der Entwurf auch nur
von einem droit de consulter le corps electoral directement.
Man kann daher, streng genommen, nicht einmal sagen, dass die
Rechte der Wählerschaft eine Erweiterung durch die Annahme
des Entwurfes erfahren hätten, denn nicht dieser wird das Recht
ertheilt, ihre Ansicht über eine Frage der Gesetzgebung auszu-
sprechen, sondern dem König wollte man die Befugniss gewähren,
die Meinungsäusserung zu veranlassen und die Absicht, welche
bei Aufstellung dieses Vorschlages die leitende war, war nicht so-
wohl die einer Erweiterung der Volksrechte, als vielmehr diejenige
einer Verstärkung der Prärogative der Krone. Die bedeutsamen
Unterschiede zwischen dieser Art von Referendum und dem in
der Schweiz seit bald zwei Jahrzehnten eingeführten liegen auf
der Hand: hier hat das Volk das Recht, eine Volksabstimmung
Archiv für öffentliches Recht. VIII. &. 37