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vorzugehen scheint. Es haben sich wenigstens in dieser Richtung
die Ansichten sehr geändert.
Es gab eine Zeit, wo es zu den Glaubensartikeln eines für
Decentralisation und städtische Freiheit eingenommenen Mannes
gehörte, die Uebertragung der gesammten Polizei auf die Städte
zu verlangen. Damals sagte der jetzige Finanzminister Dr. MiguEL
im hannover’schen Landtag:
„Das Heraussreissen eines Theiles der obrigkeitlichen Thätig-
keit ist eine Massregel, aus der nichts Gutes entspringen kann.
Die königlichen Polizeidirectionen können nur eine reprimitive
Thätigkeit ausüben; sie können nur bereits stattgehabte Reaktionen
des verbrecherischen Willens strafen. Die Polizei genügt aber
jetzt nicht mehr dadurch, dass sie bloss begangene Frevel ahndet,
sie muss vorbeugen, sie muss primitiv thätig sein, dadurch, dass
sie die Zustände wegschafft, welche zur Auflehnung des Einzel-
willens gegen die allgemeine Rechtsordnung führen. Das kann
die königliche Polizei nicht, sie ist zu der verwaltenden Polizei-
thätigkeit nicht im Stande: Eine königliche Polizeidirection wird
das zur Ausführung mancher nothwendigen, mancher erspriess-
lichen Vorrichtungen nöthige Vertrauen bei der Bürgerschaft
nicht gewinnen können, die städtischen Magistrate werden von
den Bürgern gewählt, sie werden von denselben als ihr Magistrat,
als ihre Behörde angesehen. Sie haben neben sich die Bürger-
vorsteher und geniessen aus natürlichen Gründen das Zutrauen
der Bürger. Die königliche Polizeidirection steht als eine fremde
Behörde der Bürgerschaft gegenüber. In nicht so gar seltenen
Fällen kommt sie aus Eifersucht und Misshelligkeiten in einen
gewissen Gegensatz, ja in Zwiespalt mit dem Magistrat, und so
scheitern denn daran oft ihre nützlichen und auf das Wohl der
Stadt abzielenden Bestrebungen. Es kommt hinzu, dass noth-
wendige Differenzen bezüglich der Kompetenzverhältnisse zwischen
dem Magistrat und der Polizeidirection statthaben, die sich auch
nicht durch die in’s Einzelnste gehende Kompetenzregulirung be-
seitigen lassen. Noch ein grösseres Uebel ist, dass die könig-
lichen Polizeibehörden die statutarische Gesetzgebung oft in's
Stocken bringen. Sehr viele Statuten würden die Städte be-