— 608 —
Literatur.
Bergbohm, Dr. Karl, Jurisprudenz und Rechtsphilosophie. Kri-
tische Abhandlungen. Erster Band. Einleitung. — Erste
Abhandlung: Das Naturrecht derGegenwart. Leipzig, Ver-
lag von Duncker u. Humbert, 1892. S. XVI u. 566.
BERGBOHM legt uns hier einen reichhaltigen ersten Band von Unter-
suchungen zur Allgemeinen Rechtslehre vor. Eine lebhaft geschriebene Ein-
leitung rechtfertigt das Unternehmen und entwickelt den Plan desselben.
Darin werden die Noth unserer Wissenschaft um die juristischen Grundbegriffe,
die Misstände der ‚souveränen Kleinstaaterei“ innerhalb ihres Bereichs, das
Bedürfniss einer systematischen Verknüpfung der Begriffe, mit welchen ihre
Theile operiren, einer concentrischen Inangriffnahme derjenigen Probleme, welche
allen gemeinsam sind, sowie der Mangel einer festen Terminologie nachge-
wiesen und so das Postulat des Ausbaues einer Allgemeinen Rechts-
lehre positivistischen Charakters begründet.
Die nachfolgende erste Abhandlung richtet sich gegen alle Theorien,
welche ein nicht -positives Recht oder Elemente eines solchen zum Gegen-
stande haben oder als existent voraussetzen, also gegen alle Formen eines
Vernunft-, Natur- oder Idealrechts. Ihr erster Abschnitt giebt uns eine Ent-
wickelungsgeschichte der Begriffsdichtungen dieses Charakters, ihr zweiter
ein Inventar der Gestalten, in welchen sie fortleben, aller Namen, Masken
und Verkleidungen, unter welchen sie in Philosophie und Jurisprudenz ‚noch
immer ihr Wesen treiben, der dritte den Nachweis ihrer wissenschaftlichen
Nichtigkeit. Die Erörterung gipfelt hier in einer sehr beachtenswerthen Re-
vision der Rechtstheorie unserer historischen Schule.
Ueberall zeigt der Verfasser eine eminente Belesenheit — kein Anderer
unter den Lebenden dürfte sich einer gleichen Beherrschung der gesammten
einschlagenden Litteratur rühmen können — und eine grosse kritische Bean-
lagung;; sein Stil Klarheit und Fülle. Nicht in gleichen Maasse die Kunst
der Condensirung des Stoffes. Der Verfasser vermag den Reichthum desselben
formal nicht völlig zu bemeistern. Ein breiter, überquellender Strom von
Anmerkungen begleitet daher beständig seinen 'Text. Möge aber Niemand)