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Privat- und Strafrechts. 1892. Stuttgart, Verlag von Fer-
dinand Enke. 86. XVI u. 360 Seiten.
Der gewiegte Kenner des internationalen Rechts, ja man darf sagen, der
Vater desselben in Deutschland, der geehrte Verfasser angezeigten Werkes
füllt mit demselben eine Lücke aus, indem wir bis jetzt in der deutschen
juristischen Litteratur kein den Anforderungen genügendes Lehrbuch des
internationalen Privat- und Strafrechts besassen. Keiner als gerade voN
BAR ist geeigneter, ein solches Lehrbuch zu schreiben, hat er doch in
seinem epochemachenden Werke „Theorie und Praxis des interna-
tionalen Privatrechts“, das 1889 in zwei Bänden (Hann’sche Buch-
handlung, Hannover) als zweite umgearbeitete Auflage seines 1862 in
einem Bande erschienenen Handbuches „Das internationale Privat- und
Strafrecht“ herausgegeben wurde, gezeigt, in welch’ meisterhafter, tief ein-
dringender Weise er diesen schwierigen Rechtsstoff, diesen medernen Zweig
der Rechtswissenschaft, zu dessen erfolgreicher Behandlung die Kenntniss
des Privat- und Strafrechtes sämmtlicher civilisirter Völker gehört, beherrscht
und zwar nicht blos nach der wissenschaftlichen, sondern auch nach der
praktischen Seite hin. (Das treffliche grosse Werk von Bar’s wurde inzwischen
auch in’s Englische „The theory and pratice of private international law by
L. v. BAR, secd. edit. translated by R. GILLESPIE, Edinburg 1892“ übersetzt).
Es ist daher auch ganz selbstverständlich und bedarf keiner weiteren Aus-
einandersetzung, dass der Verfasser in den Materien des Privatrechtes und
Civilprocessrechtes sich an die zweite Auflage seines Handbuches angeschlossen
hat. Strafrecht und Strafprocessrecht dagegen hat der Verfasser, da diese
Materien von ihm aus äusseren Gründen nicht in sein Handbuch aufgenommen
worden sind, in anderer Weise, also ganz unabhängig von einer von ihm her-
rührenden früheren Darstellung, ausgearbeitet.
Ehe ich nun das angezeigte Lehrbuch selbst des Näheren bespreche und
die Behandlung des in demselben vom Verfasser niedergelegten Stoffes ein-
gehender darlege, schicke ich, zum Theil im Anschlusse an die vom Verfasser
in dem Vorwort zu seinem Lehrbuche gemachten Ausführungen, nachfolgende
Bemerkungen voraus.
In Frankreich und Italien, auch in England und Nordamerika
wird das Studium des internationalen Privat- und Strafrechts mit Vorliebe ge-
pflegt, und gehören Vorlesungen darüber zu dem regelmässigen Lehrkurse auf
den Universitäten, was zum Theil auch für die deutsche sowie die fran-
zösische Schweiz zutrifft. Ich verweise in Betreff der deutschen Schweiz
besonders auf die Universität Zürich, woselbst seit Jahren schon mit Erfolg
Fr. Meiuı, einer der tüchtigsten Bearbeiter des internationalen Rechts, Vor-
lesungen über internationale Rechtsmaterien bält. Im deutschen Reich da-
gegen und auch im deutschen Oesterreich wird das Studium des inter-
nationalen Privat- und Strafrechts auf den Universitäten arg vernachlässigt.
Gleichzeitig bemerkt v. Bar, dass einige dürftige Andeutungen in anderen