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S 91 Abs. 2 Satz 1 der ersten Lesung lautet: „Ist durch Gesetz eine
besondere Form vorgeschrieben, so ist das Rechtsgeschäft im Falle des
Mangels der Form nichtig, sofern nicht ein Anderes vorgeschrieben ist.“
Dagegen lautet der entsprechende Satz im $ 104 der zweiten Lesung:
„Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form er-
mangelt, ist nichtig.“
Was nun GENSEL an sprachlichen Fehlern der Juristen bespricht, und
zwar m.E., ohne dass er zu viel gesucht und gefunden hätte, das wolle man
in seiner Schrift selbst nachlesen. Unter dem Getadelten wird man Vieles
aufgedeckt sehen, was man bisher für gut oder gar schön erachtet hat. Ich
erwähne davon nur: Die Umkehrung (Inversion) nach und, z. B.: und
wird der Beklagte verurtheilt, anstatt: und derBeklagte wird;
— die unmittelbare Folge eines Verhältnissworts auf das andere, z. B.: bei
durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnissen; — den Ausdruck etwas
nicht anstatt nichts; — einmonatliche Frist anstatt einmonatige
(aber richtig: monatliche Zinszahlung); diese Fehler sind im Entwurf ver-
mieden. An Fehlern des Entwurfs erwähne ich: Letzterer anstatt dieser,
wo von einem Ersteren gar nicht die Rede ist; (reden doch auch Manche
beim Selbstmörder davon, dass die Schuld eines Dritten (statt: eines
Andern) ausgeschlossen sei; — die zuweilen ersichtliche Ausserachtlassung
des Konjunktivs, wo er nöthig ist, z. B. zum Ausdruck der Ungewiss-
heit oder Zweifelhaftigkeit, der Nothwendigkeit u. s. w.; — die Abhackung
des Hilfszeitworts worden, auch wenn’es sich nicht um Bezeichnung des
augenblicklichen Zustandes, sondern um die Mittheilung eines Ereignisses
handelt; — die dem mündlichen guten Gespräch zuwiderlaufende enge Anklitter-
ung des sich und des nicht an das Zeitwort (für einer — nicht sagt
man dann besser keiner); — derjenige, welcher, anstatt wer; — das
steife derselbe, desselben statt er, dieser, dessen, sein; — die
übermässige Bevorzugung des längeren Relativums welcher statt. des kürzeren
der; — die Anwendung des Passivums statt des den Satz gelenkiger
machenden Aktivums. — Je mehr man sich in diese Fragen vertieft, um
so mehr wird man mit WALTHER VON DER VOGELWEIDE ausrufen: „Weh’ dir,
deutsche Zunge, wie steht dein Ordenunge!“ — Hat doch kürzlich Jemand
gesagt: Juristen — schlechte Stilisten!
Torgau. K. Bruns.
Hergenhahn, Th. 1. Das Reichsgesetz, betreffend die Commanditgesell-
schaften auf Actien und die Actiengesellschaften vom 18. Juli 1884,
mit einer Einleitung über die Entwickelung des Actienrechts und die
Ergebnisse des Gesetzes. Erläutert. Berlin 1891. Otto Liebmann.
LVI, 286 S. Geb. Preis Mk. 8.60.
2. Das Reichsgesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter
Haftung vom 20. April 1892; mit einer Einleitung über die Entstehungs-
Archiv für öffentliches Recht. VIH. 4. 41