der Grund weggefallen, welcher die Volksvertretung früher zu
jener scharfen Massregel geführt. Allein die Regierung konnte
nicht hoffen, für eine solche Beseitigung die Zustimmung des
Landtags zu erhalten, nachdem dessen Majorität jener neuen
Eheschliessungsform feindlich gegenüber stand, also kaum ge-
neigt sein mochte, aus deren Einführung die erforderliche Kon-
sequenz zu ziehen, und dann hatte die Regierung ja schon bei
den indirekten Schritte des Jahres 1872 den kürzeren ge-
zogen.
Erst die Unterstützung, welche der Staatsregierung seitens
der durch Tagespresse und Wissenschaft angeregten öffentlichen
Meinung wurde. versetzte sie in die Lage, mit voraussichtlichem
Erfolge an die Frage der Beseitigung jener Härten heran-
zutreten.
Anstoss zu solcher Beteiligung von Presse und öffentlicher
Meinung gab die Thatsache, dass es über Behandlung solcher
Ehen nicht blos zu verwaltungspolitischen, sondern auch zu recht-
lichen Gegensätzen zwischen den verschiedenen Bundesstaaten,
insbesondere zwischen Bayern und Preussen, gekommen war.
Die Verschiedenheit rechtlicher Auffassung kam zu beson-
ders vorstechendem Ausdruck in einem Erkenntnis des bayerı-
schen Verwaltungsgerichtshof vom 10. Oktober 1890 (abgedruckt
in den Annalen des deutschen Reiches Jahrg. 1891, 8. 61 ff),
betreffend die Staatsangehörigkeit der Emilie Volkmar, verehe-
lichten Gradl, zu München und deren Kinder.
Indem dieses Erkenntnis Eingang in die Tagespresse fand,
wurde es die Veranlassung zu einer heftigen „Pressfehde‘‘ zwischen
nord- und süddeutschen Blättern und führte so zu einer allge-
meinen Erregung der öffentlichen Meinung Deutschlands, die, we-
sentlich unterstützt durch drei vollkommen sachlich gehaltene
Artikel Seroer’s in den Münchener Neuesten Nachrichten vom
Oktober 1890 (Nr. 496, 499 und 500; abgedruckt in den An-