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lichen Regel hervorgehe, die der Abänderung durch Privatwillkür
entzogen sei, auch nur das publizistische Domizil entscheiden
könne ’), so müsse vollends die Uebertragung des Wohnsitzrechtes
in den Bereich des öffentlichen Rechtes, welches seiner Natur
nach ın der Regel nur zwingende Rechtssätze kenne, unbedingt
verneint werden. Dieser aus der absolut gebietenden Natur des
öffentlichen Rechtes abgeleitete Satz habe auch, was den ehelichen
Stand und die daraus fliessende Folge der Staatsangehörigkeit
anlange, in 8 3 Abs. 3 des Gothaer Vertrages Ausdruck ge-
funden °).
Die beteiligten Staaten hatten bei diesem Widerstreit recht-
licher Auffassung noch die Möglichkeit ?), in Anwendung des$ 12
des ebengenannten Vertrages den Streitfall zur schiedsrichter-
lichen Entscheidung einer dritten deutschen Regierung zu stellen.
Die bayerische Staatsregierung zog es jedoch vor, die Grundlage
des Streitpunktes, als sachlich nicht mehr zu rechtfertigen, über-
haupt aus der Welt zu schaffen.
In dem unter dem 29. September 1891 der Kammer der
Abgeordneten vorgelegten Entwurf !®) eines Gesetzes zur Abänderung
einiger Bestimmungen des Heimatsgesetzes vom 16. April 1863
wurde in Art. 3 vorgeschlagen, an Stelle des Art. 33 Abs. 2
auszusprechen, auf die Rechtsgiltigkeit der geschlossenen Ehe
seı der Mangel jenes Zeugnisses ohne Einfluss, die Ehe habe nur
so lange, als die Ausstellung des Zeugnisses nicht nachträglich
erwirkt worden, für die Ehefrau und die aus der Ehe entspros-
senen oder durch dieselbe legitimierten Kinder nicht die Wir-
kungen einer giltigen Ehe.
?) Bäur, über Wohnsitzrecht und Heimatrecht in Inerıne’s Jahr-
büchern für Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts
Bd. XXI, Neue Folge Bd. 9, S. 343 fl.
?) Siehe Annalen 1891, S. 67 und 68.
°) Vergl. Seypeı, bayerisches Staatsrecht Bd. V, S. 68.
1%) Verhandlungen der K. d. A. 1891/92, Beil. 635 S. 3.