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nicht im Stande, die zwingende Rechtsvorschrift des impedimentum
ligaminis aus dem Wege zu schaffen. Nur nach Aussen hin be-
hält die Frau der zweiten Ehe mit ihren Kindern die durch die
Ehe erworbenen Rechte.
Welchen Weg ist nun die Gesetzgebung gegangen? Hat
sie Klarheit über den Begriff der Ungiltigkeit im bisherigen
Rechte gebracht ?
Der Gesetzesvorschlag der Regierung lautete also: „Vor-
stehende Bestimmungen sind unbeschadet erworbener Rechte Dritter
auch auf diejenigen Ehen anzuwenden, welche nach den bis-
herigen Fassungen des Art. 33 Abs. II oder nach den entsprechen-
den älteren Vorschriften als ungiltig zu behandeln waren“.
Obwohl die Erörterungen, welche über diesen Rechtssatz
bei der parlamentarischen Verhandlung statt hatten, fast aus-
schliesslich von der durch die Civilgerichte vertretenen Auffassung
ausgingen, als sei eine ohne jenes Zeugnis abgeschlossene Ehe
durch die Eheschliessung bisher überhaupt zu keiner rechtlichen
Existenz gelangt — nur der Ministerialkommissär und Abgeord-
von Hermann legte seinen Ausführungen die Serper'sche Auf-
fassung zu .Grunde?!) —, traten doch sehr erhebliche Meinungs-
verschiedenheiten über die rechtliche Tragwcite der vorgeschlagenen
Bestimmung zu Tage.
Die folgerichtigste Anschauung über die rechtliche Wirkung
des Gesetzesvorschlags verfochten die Abg. von Fischer und Her-
mann Beck#. Sie halten scharf an dem Satze, dass jener Rechts-
satz bei rückwirkender Kraft so anzusehen ist, als habe er schon
bei Begründung der ersten Ehe gegolten. „Ich muss sagen,
äussert der Abg. von Fischer, dass der Standpunkt, welchen Herr
Kollege Beck# bei Auslegung des Sinnes der fraglichen Bestimm-
ung einnimmt, mir der richtige Standpunkt zu sein scheint.
21) Vergl. Stenogr. Bericht der Verh. d. K. d. A. 1892 Bd. VII.
S. 348; dagegen GUNZENHÄUSER S. 330 und selbst Hermann Becku S. 340.
Abg. Joseph Waener liess die Entscheidung der Frage dahingestellt (S. 352).