Contents: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

92 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
Mitglieder, welche durch menschliche Schwäche veranlaßt sind, und Hand- 
lungen, welche auf einem durchdachten Plane beruhen, wie politische- 
Agitationen und Publikationen. Für erstgenannte Kategorie kann ich den 
Orden nicht verantwortlich machen, für letztere allerdings. Wenn also 
ein Jesuit, wie dies in Brest vorgekommen, mit einer Dame durchgeht, 
so ist natürlich der Orden nicht dafür verantwortlich. Wenn aber die- 
Jesuiten in Posen und im Elsaß agitieren, so handeln sie unter dem 
Befehl ihrer Oberen, im Auftrage ihres Ordens, und dieser ist dafür ver- 
antwortlich. Wenn der Jesuitenpater Schrader in seiner Schrift „Der 
Papst und die modernen Ideen“ ein ganzes System staatsgefährlicher 
Theorien aufstellt, wenn die „Civilta cattolica“ und die „Korrespondenz“ von 
Genf, erstere unter den Augen des Papstes, letztere unter dessen aus- 
drücklicher Approbation, beide von Jesuiten redigiert, die Herrschaft der 
Kirche über den Staat proklamieren, wenn die unter dem Einfluß des. 
Jesuitenpaters Weißer stehenden bayrischen Lokalblätter täglich die Zer- 
trümmerung des Reichs predigen, wenn der von Jesuiten geleitete „Osser- 
vatore Romano“ daran erinnert, daß kein Ketzer deutscher Kaiser sein. 
könne, der Papst ihn absetzen und das Volk ihn verjagen müsse, so sind. 
das keine Ausschreitungen „heißsporniger Zeitungsschreiber“, sondern Tat- 
sachen von so ernster Bedeutung, daß sich niemand die Augen davor ver- 
schließen kann. Es kann vom katholischen Standpunkt aus beklagt werden, 
daß wir nicht ein katholisches Reich mit einer katholischen Dynastie sind. 
Allein dieses objektive Bedauern darf nicht zur Richtschnur der Politik 
gemacht, und ebensowenig darf geduldet werden, daß es jemand in Deutsch- 
land zum Ausgangspunkte seiner Angriffe gegen Deutschland macht. 
Das haben die Jesuiten seit dem Bestehen des Ordens getan, und dazu 
sind sie gegründet, das heißt zur gewaltsamen Vertilgung des Protestantismus. 
Was soll daraus werden, wenn wir Tendenzen dulden, denen wir den 
Dreißigjährigen Krieg verdanken und die zu nichts anderm führen können 
als zur Erneuerung der Religionskriege? Ich bin deshalb noch immer 
der Ansicht, daß die Vertreibung der Jesuiten ein Akt der Notwehr des 
deutschen Volks ist, und wenn Du mir vorwirfst, daß ich als katholischer 
Fürst unrecht habe, mich dabei zu beteiligen, so sage ich Dir, daß ich vor 
allem deutscher Fürst bin und als solcher meine Pflicht tun muß. 
Was die Bischöfe getan haben, müssen sie mit ihrem Gewissen ab- 
machen. Meine Meinung geht aber dahin, daß es ihre Pflicht gewesen 
wäre, im Konzil Zeugnis abzulegen von dem in ihren Dihzesen geltenden 
Glauben, nicht sich den Inspirationen der Jesuiten in Rom zu unter- 
werfen. Daß ich übrigens deshalb, weil die Bischöfe meines Erachtens. 
gegen Pflicht und Gewissen gehandelt haben, aus der Kirche austreten 
sollte, fällt mir nicht ein. Wenn ich wegen aller skandalösen Vorkomm-
	        
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