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in dem besonderen Falle des $ 399 P.O. Man vergl. hiezu noch
die A. G.0. X. 8 26, 27a, 82.
So handelt der Entwurf in jeder Weise nach seinem in den
Erläuterungen der P.O. S. 239 ausgesprochenen, beherzigenswerthen
Grundsatze und in richtiger Erkenntniss der wahrhaft „altruisti-
schen“ Stellung“*) des Richters: „Gleichgiltigkeit gegen das Recht
einer Person wird man am Allerwenigsten bei den zum Schutze
des Rechts berufenen Organen gross ziehen wollen“; und weiter:
„Eine aufklärende Frage, der Hinweis auf einen erheblichen Punkt,
an dem die Partei bei ihrem Vorbringen achtlos vorüberging,
kann vielleicht dem ganzen Processe eine andere Wendung, einen
anderen Ausgang geben, und der Richter soll ruhigen Muthes die
Partei ihr Recht verlieren sehen, ohne jenes Wort zu sprechen?“
Der Entwurf verwirklicht die schönen Worte des deutschen Reichs-
versicherungsamtes, die dieses gelegentlich eines Urtheils im schieds-
gerichtlichen Verfahren der Unfallversicherung aussprach, dass ın
diesem kein Weg zur Erreichung des Zieles „materieller Wahr-
heit“ ungangbar gemacht werden und die „Gerichtsthür
weit geöffnet sein“ solle!
Und doch will auch der österreichische Gesetzgeber hier die
nöthigen Schranken gegen den Uebereifer oder die Leichtfertig-
keit der Richter setzen. Sie bestehen in dem von den Tadelern
der „Inquisitionsmaxime‘“ immer wieder verkannten Grundsatze,
dass die Forschung des Richters an der Weigerung der Partei,
sich ausforschen zu lassen, u. s. w. unbedingt scheitert*°); und
44) DarGun, Altruismus und Egoismus, S. 79.
45) HEINZE, Gerichtssaal Bd. 28, S. 587; RÜTTIMANN in MITTERMAIER &
WARNKÖNIGS Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Aus-
landes Bd. 25, S. 1 (Process von Massachusets) und meine Schrift „Ermitt-
lung und Feststellung“ S. 160 und sonst. Auch PucHtıA (a. a. O. S. 20, 36)
berücksichtigt diesen Punkt; ebenso STEIN a. a. O. S. 88.
In ergötzlicher Weise tritt die Gespensterfurcht vor der Inquisitions-
maxime beispielsweise hervor im „Vereinsblatt für deutsches Versicherungs-
wesen“ XIV (1886) S. 315.