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oft schwer fallen, tüchtige Pflegeltern aufzufinden. Wie die Er-
fahrung zeigte, trat das Gegentheil ein; selbst in den theueren
Jahren und bei der Vermehrung der Zahl der Waisen war die
Unterbringung, trotz der geringen Entschädigung, keine schwierige.
Günstig äussern sich auch die Erhebungen über den Gesundheits-
zustand und das Sterblichkeitsverhältniss.
Seit den 1850er Jahren machte sich das Bestreben geltend,
die Organisation der Waisenpflege zu verbessern und als Familien-
pflege festzuhalten. Die Gründung von Waisenhäusern in den
einzelnen Provinzen hätte schon an dem Kostenpunkte scheitern
müssen. Die Landeswaisenanstalt, als eine staatlich geleitete und
aus den allgemeinen Mitteln des Staates unterstützte Wohlthätig-
keitsanstalt mit Corporationsrechten, blieb bestehen. Seit 1856
führt die Provinzialdirection Starkenburg zu Darmstadt die Ober-
leitung, ein staatlich bestellter Rechner die Geschäfte des Rech-
nungs- und Kassenwesens. Die Organisation und die Grundsätze
(der Waisenpflege, wie sie dermalen in Gültigkeit, lassen sich am
Besten aus der als Anhang I abgedruckten Dienstanweisung vom
18. April 1890 übersehen. Wir heben deshalb hier nur folgende
öffentlich-rechtlichen Grundsätze hervor. Die hessische Waisen-
pflege ist nicht ein Theil der gesetzlichen Armenpflege der Orts-
srmenverbände (Gemeinden) und Landarmenverbände des Reichs-
gesetzes über den Unterstützungs-Wohnsitz vom 6. Juni 1870,
Träger der Pflicht ist bei unbemittelten Waisen vielmehr eine als
Stiftung entstandene staatliche Anstalt. Der Staat erfüllt bei
armen Waisenkindern die im Uebrigen den Armenverbänden ob-
liegenden Pflichten, unterstützt durch die Mitwirkung der Ge-
meindevorstände. Nur subsidiär tritt nach dem allgemeinen öffent-
lichen Rechte der Armenverband (Gemeinde) ein. Der Zweck der
Anstalt ist nach $ 1 der Dienstanweisung: Arme, die hessische
Staatsangehörigkeit besitzende, vater- und mutterlose Waisen-
kinder bis zur Entlassung aus der Schule in der Religion ihrer
Eltern gottesfürchtig und sittlich u. s. w. zu erziehen. Die Voraus-
setzung der Armuth liegt nicht vor, wenn Vater oder Mutter
noch leben, aber wegen Mittellosigkeit die Kinder nicht erhalten
können. Hier erscheinen die Eltern bedürftig und es treten die