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Verfasser zutreffend hin für Frankreich: die Käuflichkeit der Aemter, sowie
die Frblichkeit der Parlaments(Gerichts)stellen. Die factische Ohnmacht des
Königs und ein grosser Theil der damaligen Missstände in Verwaltung und
Justiz lassen sich darauf zurückführen. Bei der Darstellung der Entwickel-
ung des englischen Parlaments stellt sich als eine besonders wichtige Er-
scheinung der Umstand dar, dass der Kampf um die Parlamentsherrschaft
nur ein Kampf zwischen den höheren Gesellschaftsklassen war und die
unteren Klassen im Grunde genommen gar nichts anging, da dieselben bei
dem hohen Census von dem Wahlrechte ausgeschlossen waren. Auch die
Garantieen gegen die Willkürmassregeln der unteren Verwaltung und für die
Unabhängigkeit der Rechtspflege kamen im Wesentlichen nur den oberen
Klassen und deren Schützlingen zu Gute. Vielleicht konnte der Verfasser
diese und andere hervorspringende Punkte, welche der damaligen Zeit ihre
Färbung gaben, noch mehr betonen und in den Vordergrund stellen, wodurch
die Darstellung übersichtlicher geworden wäre, ohne dass sie an Objectivität
einzubüssen brauchte. Falls der Verfasser, wie er beabsichtigt, sein Werk
fortsetzt, so dürfte es kein Schade sein, wenn er mehr aus sich heraustreten
und seinem Werke einen mehr persönlichen Charakter geben wollte, was
ohne Verletzung der gebotenen Objectivität möglich wäre.
Berlin. A. Quitzka.
W, Kulemann, Amtsrichter in Braunschweig, Der Arbeiterschutz
sonst und jetzt in Deutschland und im Auslande. Leipzig,
Verlag von Duncker und Humblot, 1893.
Der durch hervorragende Arbeiten auf socialpolitischem Gebiete be-
kannte Verfasser unternimmt es in dem vorliegenden (159 Seiten starken)
Buche, die Arbeiterschutzgesetzgebung in volksthümlicher Darstellung allge-
mein verständlich zu machen.
Gewiss isi dieses Bestreben des Verfassers ein sehr beachtenswerthes,
denn die Klage, dass das Feld unserer socialen Gesetzgebung ein dem Laien
und dem Volke vielfach noch unbekanntes oder nur in mangelhafter Be-
leuchtung bekanntes und darum in seiner Bedeutung verkanntes ist, erscheint
als eine nicht unbegründete. Abgesehen von den Schäden, welche die Be-
handlung der Socialgesetzgebung vom Standpunkte einseitiger, politischer
Parteiinteressen aus verursacht, ist es die juristische Structur und Sprache
der Gesetze, welche einer eingehenden Befreundung des Volkes mit derselben
hinderlich ist.
Den Mittelpunkt der Darstellung des Verfassers bildet der heute giltige
Rechtszustand auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes. Derselben ist ein Ueber-
blick über die Entwickelung der einschlägigen deutschen Gesetzgebung des
Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches vorangestellt, es folgt ihr
eine Vergleichung mit den Einrichtungen ausserdeutscher Länder, sowie der
Archiv für öffontliches Recht. IX. 1. 9