— 138 —
richtiger Erkenntniss seines erhabenen Berufes, selbständig ein Rechtsmittel
ergreifen und so eine Schärfung des Urtheils beantragen (ohne Anweisung
seiner Dienstbehörde) — oder man gebe ihm durch Gesetzesänderung
das Recht des Anschlusses an die Rechtsmittel des Angeklagten, dann kann
er dasselbe noch leichter erreichen.
Was sind nun des Verfassers Vorschläge? Er empfiehlt als Gegen-
mittel gegen frivole Rechtsmitteleinlegung zunächst die Einführung der
Anschluss-Berufung und -Revision und ferner, weil davon doch nicht stets
Gebrauch gemacht wird (was für ein Grund!!), daneben noch unter allen
Umständen die Aufhebung des ihm so unsympathischen Verbots der ref. in pe).
Dann ist aber dies Anschlussrecht m. E. eine ganz unnöthige Neuerung —:
wenn der Richter stets von Amtswegen in pejus reformiren kann, wozu dann
noch die Anschluss-Berufung, bezw. -Revision.
Schliesslich macht der Verfasser Vorschläge über Aenderung der ein-
schlagenden Strafprocessordnungsparagraphen — er gibt einen Gesetzentwurf.
Noch folgende Bemerkungen. Auf S. 113 sagt der Verfasser: „Auch
der Staatsanwalt kann von den Rechtsmitteln frivolen Gebrauch machen, der
Verfasser hat zwar einen derartigen Fall noch nicht erlebt; immerhin ist
dies denkbar.“ Man kann nun, und jeder verständige Vertheidiger, der die
Sache mit anderen Augen als der Verfasser ansieht, wird beistimmen, wohl
behaupten, dass derartige Fälle auch vorkommen, dass auch hier manche
Frivolitäten erlebt werden.
Ex ungue leonem! Auf S. 106 macht der Verfasser auch einen Angriff
auf die Schwurgerichte — „es mag sein,“ sagt er u. A., „dass der Schuldige
hin und wieder im Schwurgericht grössere Aussicht als vor der Straf-
kammer hat, sich durchzulügen — sit venia verbo!“
Es ist auch ein Zeichen der Zeit, dass von gewisser Seite an der
dem Volke lieb gewordenen Einrichtung der Schwurgerichte immer mehr und
mehr, offen und versteckt, gerüttelt wird — Beseitigung des Verbots der
ref. in pej., Abschaffung der Schwurgerichte, das ist das Feldgeschrei von
gewisser Seite, man wird bald noch mit anderen Forderungen auftreten —
fin de sieele!
Heidelberg. Caesar Barazetti.
Wagner, Ludwig, Ueberschau über das gemeine und baye-
rische protestantische Kirchenrecht. München 1892, C. H.
Beck’s Verlag.
Diese Schrift ist ein Instructionsbüchlein für bayerische protestantische
Geistliche und für Solche, die es werden wollen. Der Standpunkt WAGNnER's
.zu dem Verhältnisse von Staat und Kirche im Allgemeinen ist der eines pro-
testantsechen, staatlichen Kirchendieners, Er erstrebt weder das mittelalter-
liche Verhältniss, wonach der Staat in der Kirche aufging, noch das umge-
kehrte des völligen Untergehens der Kirche im Staat. Sein Ideal ist vielmehr,