Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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richtiger Erkenntniss seines erhabenen Berufes, selbständig ein Rechtsmittel 
ergreifen und so eine Schärfung des Urtheils beantragen (ohne Anweisung 
seiner Dienstbehörde) — oder man gebe ihm durch Gesetzesänderung 
das Recht des Anschlusses an die Rechtsmittel des Angeklagten, dann kann 
er dasselbe noch leichter erreichen. 
Was sind nun des Verfassers Vorschläge? Er empfiehlt als Gegen- 
mittel gegen frivole Rechtsmitteleinlegung zunächst die Einführung der 
Anschluss-Berufung und -Revision und ferner, weil davon doch nicht stets 
Gebrauch gemacht wird (was für ein Grund!!), daneben noch unter allen 
Umständen die Aufhebung des ihm so unsympathischen Verbots der ref. in pe). 
Dann ist aber dies Anschlussrecht m. E. eine ganz unnöthige Neuerung —: 
wenn der Richter stets von Amtswegen in pejus reformiren kann, wozu dann 
noch die Anschluss-Berufung, bezw. -Revision. 
Schliesslich macht der Verfasser Vorschläge über Aenderung der ein- 
schlagenden Strafprocessordnungsparagraphen — er gibt einen Gesetzentwurf. 
Noch folgende Bemerkungen. Auf S. 113 sagt der Verfasser: „Auch 
der Staatsanwalt kann von den Rechtsmitteln frivolen Gebrauch machen, der 
Verfasser hat zwar einen derartigen Fall noch nicht erlebt; immerhin ist 
dies denkbar.“ Man kann nun, und jeder verständige Vertheidiger, der die 
Sache mit anderen Augen als der Verfasser ansieht, wird beistimmen, wohl 
behaupten, dass derartige Fälle auch vorkommen, dass auch hier manche 
Frivolitäten erlebt werden. 
Ex ungue leonem! Auf S. 106 macht der Verfasser auch einen Angriff 
auf die Schwurgerichte — „es mag sein,“ sagt er u. A., „dass der Schuldige 
hin und wieder im Schwurgericht grössere Aussicht als vor der Straf- 
kammer hat, sich durchzulügen — sit venia verbo!“ 
Es ist auch ein Zeichen der Zeit, dass von gewisser Seite an der 
dem Volke lieb gewordenen Einrichtung der Schwurgerichte immer mehr und 
mehr, offen und versteckt, gerüttelt wird — Beseitigung des Verbots der 
ref. in pej., Abschaffung der Schwurgerichte, das ist das Feldgeschrei von 
gewisser Seite, man wird bald noch mit anderen Forderungen auftreten — 
fin de sieele! 
Heidelberg. Caesar Barazetti. 
Wagner, Ludwig, Ueberschau über das gemeine und baye- 
rische protestantische Kirchenrecht. München 1892, C. H. 
Beck’s Verlag. 
Diese Schrift ist ein Instructionsbüchlein für bayerische protestantische 
Geistliche und für Solche, die es werden wollen. Der Standpunkt WAGNnER's 
.zu dem Verhältnisse von Staat und Kirche im Allgemeinen ist der eines pro- 
testantsechen, staatlichen Kirchendieners, Er erstrebt weder das mittelalter- 
liche Verhältniss, wonach der Staat in der Kirche aufging, noch das umge- 
kehrte des völligen Untergehens der Kirche im Staat. Sein Ideal ist vielmehr,
	        
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