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„dass Staat und Kirche so ineinander aufgehen, sich gegenseitig so durch-
dringen, dass der erstere schliesslich eine rechtlich organisirte Vereinigung
von (slaubensgemeinschaften darstellen würde.“ Es soll also nicht das Eine
im Andern, sondern sie sollen Beide ineinander aufgehen und zwar so, dass
dabei der Staat verschwindet und eine rechtlich organisirte Vereinigung von
Glaubensgemeinschaften, d. i. die Kirche, übrig bleibt.
Einer herkömmlichen Lehre folgend, unterscheidet WAGNER zwischen
einem gemeinen und einem besonderen Kirchenrecht. Diese Eintheilung soll
sich auf die grössere oder begrenztere Ausdehnung des Anwendungsgebietes
beziehen. WAGNER unterlässt es aber bei seiner Darstellung des sog. gemeinen
Kirchenrechts, dessen Anwendungsgebiet anzugeben.
Der Haupttheil des Buches beschäftigt sich mit dem bayerischen Recht,
und hier ist dem Zweck der Schrift gemäss weniger Aufmerksamkeit auf die
rechtlichen Grundlagen, als auf die innere Verfassung und Verwaltung der
Kirche verwendet. Bei Betrachtung des Verwaltungsrechtes der Kirche
schreitet WAGNER ein wenig über die Grenzen seiner Aufgabe hinaus. Indem
er nämlich im 5. Hauptstück die Stellung der Kirche zur Schule und öffent-
lichen Wohlfahrt behandelt, beschränkt er sich nicht auf die kirchliche Seite
dieser Gegenstände, sondern stellt sie im Grundriss so hin, als seien sie über-
haupt Einrichtungen der Kirche. Die sociale Frage ist nach WAGNER in
ihrem tiefsten Grunde eine religiöse. Deshalb ist die Kirche zu ihrer Lösung
mitberufen, sie hat Gebildete und Arbeiter wieder zum Glauben zu führen
und sich daher in Predigt und Seelsorge zu erweisen als „die gottgestiftete
Grundfeste der Wahrheit und als das Gewissen des Volkes.“
Die sehr knappen, juristischen Ausführungen sind zwar nicht originell,
aber meist zutreffend, so sind besonders die Verhältnisse der religiösen Kinder-
erziehung, des Placet, des Simultaneum u. A. im Ganzen richtig dargestellt.
WAGNER theilt im Vorwort mit, dass er sich für den gemeinrechtlichen
Theil an sein Collegienhefi nach v. ScaeukL’s Vorlesungen angeschlossen
habe und beansprucht für sein Werkchen überhaupt nicht das Ansehen einer
selbständigen wissenschaftlichen Leistung. Als Instructionsbüchlein ist sein
Gebrauch für Studirende der Theologie gewiss nicht ohne Nutzen.
München. Robert Piloty.
Krais, Wilhelm, Rath des k. b. Verwaltungsgerichtshofes, Handbuch
der inneren Verwaltung im diesrheinischen Bayern.
Dritte Auflage. Würzburg. Stuber's Verlag. 1891/92.
Ein Handbuch im Sinne des Kraıs’schen ist weder ein System noch ein
Commentar, sondern eine zwischen diesen beiden stehende Buchform. Kraus’
Handbuch ist eine auszugsweise und nach gewissen systematischen Gesichts-
punkten geordnete Zusammenstellung aller im diesrheinischen Bayern auf dem
Gebiete der inneren Verwaltung zur Zeit geltenden Gesetze und der dazu
ergangenen Ausführungsbestimmungen. Die Darstellung erstreckt sich nicht nur