83 _
dieser zu ihren Gliedern gewonnen ist, verliert dieser Begriff
den festen Boden der Wirklichkeit und geht wieder in das Nebel-
land der Fietionen über. Darum finden sich auch bei Schrift-
stellern, welche im Allgemeinen geneigt sind, den Staat als Cor-
poration zu erklären, Aeusserungen, welche einen Zweifel an der
Realität des Staatswillens enthalten und an die wissenschaftlich
überwundene Anschauung erinnern, welche den Staat unter die
juristischen, d.h. die von der Jurisprudenz zu Zwecken der Kon-
struktion erfundenen Personen versetzen. So definirt GAREIS!)
(lie Herrschaft des Staates dahın, ‚dass dem Gemeinwesen ein
(semeinwille beigelegt“ wird und bezeichnet dieses (remeinwesen
als die ‚„idealisirte mit dem Gebiete und der Geschichte ver-
knüpft gedachte Bevölkerung“. Und auch GierkE, welcher
mit dem grössten Nachdruck für den universalen Charakter des
(ienossenschaftsbegriffes eingetreten ıst, welcher ‚das Wesen der
modernen deutschen Staatsidee“ ın der „Identität von Staat und
Volk“ findet, welcher es für die Aufgabe der Theorie erklärt,
„den Staatsbegriff voll und ganz in den Volksbegrift zurückzu-
verlegen‘ 2), wird doch an diesem Programm wieder irre, weil das
(iebiet neben der Personeneinheit ein Essentiale des Staates sei.
Und gewiss — wenn Land und Leute als zwei gleichberechtigte
Faktoren den Begriff des Staates bilden, dann ıst der Staat cin
drittes, welches diese beiden in sich aufnimmt, und da ein solches
drittes ın der realen Welt nicht existirt, so wird er zu einem
(jedankendinge, einer blossen Abstraction. Hierin liegt die ent-
scheidende Bedeutung der Lehre vom Staatsgebiet für die juristi-
sche Bedeutung des Staates.
Das rechtlich erhebliche in dem Begriffe des Staatsgebietes
ist die Begrenzung desselben. Denn offenbar bedürfte es keiner
juristischen Lehre vom Staatsgebiete, wenn mit diesem Worte
A— —
1) Allgemeines Staatsrecht S. 28 und 56.
2) Genossenschaftsrecht I S. 830.
1*